NRW-Wirtschaftsminister Duin nimmt Synthese-Teststand in Betrieb

Gemeinsame Inbetriebnahme des Syntheseteststands in Bergheim-Niederaußem am 22.03.2017

Aus Braunkohle macht „Fabiene“ wertvolle Chemierohstoffe, Land und RWE stiften Professur an der Ruhr-Universität Bochum

Kunststoffe, Diesel, Kerosin, Wachs, Schmiermittel: Nahezu alles, was heute aus Erdöl oder Erdgas hergestellt wird, kann prinzipiell auch mit Braunkohle erzeugt werden. In dem vom Bund geförderten Projekt „Fabiene“ leuchten die Technische Universität Darmstadt, die ThyssenKrupp Industrial Solutions AG und RWE die Perspektiven dieser stofflichen Nutzung von Braunkohle aus. Heute wurde der Beitrag von RWE zum Projekt, ein Synthese-Teststand, im „Innovationszentrum Kohle“ offiziell in Betrieb genommen – von NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, Guido van den Berg MdL als Vertreter der Landtags-Enquete-Kommission „Chemie“, Bergheims Erster stellvertretenden Bürgermeisterin Elisabeth Hülsewig, dem Darmstädter Institutsleiter Prof. Dr. Bernd Epple, dem Bereichsleiter Sales/Gasification von ThyssenKrupp Industrial Solutions Dr. Guido Daniel und von RWE Power-Vorstandsmitglied Dr. Lars Kulik.


Im Rahmen der gleichen Veranstaltung besiegelten das Land Nordrhein-Westfalen, die Ruhr-Universität, vertreten durch ihren Rektor Prof. Dr. Axel Schölmerich, und RWE die Gründung der Stiftungsprofessur „Carbon Sources and Conversion“ (Kohlenstoffquellen und -umwandlung) an der Bochumer Universität.

Die Professur wird in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT eingerichtet. Sie wird wichtige verfahrenstechnische Aspekte der stofflichen Nutzung von Kohlenstoffquellen erforschen, wie z.B. Braunkohle, Biomasse und Kohlendioxid. Die Einbindung der Stiftungsprofessur in den Forschungsverbund Closed Carbon Cycle Economy der Ruhr-Universität Bochum unterstreicht den interdisziplinären Ansatz des gesamten Vorhabens.

Garrelt Duin, Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen: „Die Stiftungsprofessur ist ein wichtiger Baustein unserer Innovationsstrategie für das Rheinische Revier. Auf der Grundlage des Berichts der Enquete-Kommission des nordrhein-westfälischen Landtags sollen hier interdisziplinär Möglichkeiten und Grenzen einer stofflichen Nutzung der Braunkohle erforscht werden. Am Ende verfügen wir hoffentlich über tragfähige betriebswirtschaftliche und technische Grundlagen für eine kreislauforientierte Kohlenstoffwirtschaft. Wir sind dankbar, dass wir für diese Stiftungsprofessur engagierte Partner in Wirtschaft und Wissenschaft gefunden haben.“

Guido van den Berg, Mitglied der Landtags-Enquetekommission „Chemie“: „Der Kohlenstoff wird im Rheinischen Braunkohlenrevier so effizient gewonnen, dass die variablen Preise anderer Länder damit unterboten werden können. Diese Technologie funktioniert nicht nur mit Braunkohle. Auch andere biogene Stoffe – zum Beispiel Nachwachsende Rohstoffe der dritten Generation – sind einsetzbar. Und auch die vollständige stoffliche Wiederverwendung von Kunststoffen ist mit diesen Technologien gewaltig nach vorne zu bringen. Es geht darum, das zirkuläre Wirtschaften auch für den Kohlenstoff neu zu ermöglichen. Ein Riesenthema, und Niederaußem ist dabei Forschungsstandort. Bergheim wird heute ein bisschen Uni-Stadt.“

Rede von Guido van den Berg – Niederaußem wird Uni-Standort

 

Elisabeth Hülsewig, Erste Stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Bergheim, sprach von einem „Paradigmenwechsel“: Kohle werde bei dem Projekt nicht mehr als Brennstoff eingesetzt, sondern als Rohstoff für chemische Produkte. „Und die neuen Rohstoffe als ,Made in Bergheim‘ in alle Welt zu verkaufen – das wäre auch ein Gütesiegel für unsere Stadt.“

„Die Stiftungsprofessur stärkt unseren fachlich breit aufgestellten Forschungsverbund Closed Carbon Cycle Economy“, so Prof. Axel Schölmerich, Rektor der Ruhr-Universität Bochum. „Das Engagement des Landes und der Industrie zeigt, dass wir hier ein wichtiges Zukunftsthema fachübergreifend anpacken. Von den technischen Herausforderungen über ökonomische und juristische Aspekte bis zur gesellschaftlichen Akzeptanz ergründen wir in diesem Research Department alle relevanten Ebenen.“

Prof. Dr. Görge Deerberg, stellvertretender Institutsleiter von Fraunhofer UMSICHT: „Technische Kohlenstoffkreisläufe erforschen, Kohlenstoff aus unterschiedlichen Quellen erschließen, nachhaltige Konversionstechnologien entwickeln – dies und vieles mehr wird zu den Aufgaben gehören, mit denen sich die Stiftungsprofessur ,Carbon Sources and Conversion‘ befassen muss. Wir freuen uns, dass sie dank der Unterstützung durch das Land und die Industrie in den interdisziplinären Forschungsverbund ,Closed Carbon Cycle Economy‘ der Ruhr-Universität Bochum eingebunden wird.“

RWE Power-Vorstand Lars Kulik: „RWE hat bereits eine Menge Erfahrung mit Techniken zur Umwandlung von Kohle. Mit unseren Partnern entwickeln wir sie zum einen im Innovations-zentrum Kohle weiter. Zum anderen wollen wir dazu beitragen, dass auch die ökonomischen, ökologischen und sozialen Elemente einer kreislauforientierten Kohlenstoffwirtschaft fachübergreifend erforscht werden. Das ist Wissenschaft in Theorie und Praxis – und auf viele Jahre angelegt.“ Die stoffliche Nutzung der Braunkohle biete auch der Region eine interessante Perspektive. High-Tech aus dem Herzen des Rheinischen Reviers könnte zu Wertschöpfung und Arbeitsplatzsicherung in der Region beitragen – nicht nur in der Braunkohlenindustrie, sondern auch in der Chemie an Rhein und Ruhr, so Kulik.

Über „Fabiene“

Das Projekt „Fabiene“ läuft bis 2020 und hat ein Gesamtvolumen von knapp zehn Millionen Euro. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft gefördert. Wenn die erste Forschungsreihe mit künstlich gemischtem Synthesegas aus Gasflaschen abgeschlossen ist, soll der Niederaußemer Teststand zur TU Darmstadt versetzt werden. Dort wird er eine Anlage der Projektpartner ergänzen, die Synthesegas aus Braunkohle erzeugt und verarbeitet. Letzteres besteht im Wesentlichen aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff und wird mit Hilfe von Katalysatoren zu den gewünschten Produkten umgewandelt. Damit kann die Prozesskette von Braunkohle zu Vorprodukten für die chemische Industrie vollständig erprobt werden.

Innerhalb des Ideenwettbewerbs der Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) wurde das Projekt „Stoffliche Nutzung von Braunkohle und braunkohlestämmigem CO2 – Herstellung von synthetischen Basis-Chemikalien und Kraftstoffen“ als Modellprojekt für das Rheinische Revier ausgewählt.

Über das Innovationszentrum Kohle

Das Innovationszentrum Kohle wurde vor fünf Jahren von NRW-Forschungsministerin Svenja Schulze zum „Ort des Fortschritts“ erklärt. Im Verbund mit dem angrenzenden Kraftwerk Niederaußem betreibt RWE dort seit 2008 unter anderem eine Pilotanlage zur CO2-Rauchgaswäsche, ein Anlage zur Wirbelschicht-Trocknung von Braunkohle (WTA) und eine Pilotanlage zur optimierten Schwefeldioxid- und Staubminderung bei der Rauchgasreinigung (REAplus).