


Wie die Herausforderungen für einen gelingenden Strukturwandel im Rheinischen Revier sind, verdeutlichte schon der Veranstaltungsort der „Zukunftskonferenz“ der SPD-Landtagsfraktion, die jetzt in Elsdorf stattfand: Im Forum Terra Nova, direkt an der Kante zum Tagebau Hambach, diskutierten Experten aus Politik, Forschung und Wirtschaft zusammen mit der interessierten Öffentlichkeit über Konzepte für einen gelingenden Strukturwandel. Marc Herter, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, stellte gleich zu Beginn in einem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal dar, dass durch das mittelfristige Auslaufen der Braunkohleverstromung den Menschen im Rheinischen Revier einer Perspektive geboten werden muss. „Die Region braucht dringend kluge Konzepte, wie der Strukturwandel hier im Revier gelingen kann. Ich freue mich, dass seit fünf Jahren die Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) mit Erfolg daranarbeitet, solche Ideen und Konzepte zu erarbeiten“, so Herter.
In einer ersten Diskussionsrunde, die vom Landtagsabgeordneten Guido van den Berg moderiert wurde, standen Konzepte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung im Fokus. Zunächst erläuterte RWE-Vorstandsmitglied Dr. Lars Kulik, dass die Planungen von RWE im Einklang mit dem gerade von der Bundesregierung verabschiedeten Klimaschutzplan stünden. Bis 2030 werde die Braunkohleverstromung um 40 bis 50 Prozent im Rheinischen Revier zurückgehen. Zwangsläufig führe das bei den rund 10.000 direkt Beschäftigten, den Beschäftigten bei Zulieferern und im Handel zu Verunsicherungen. RWE wolle gemeinsam mit der IRR Projekte entwickeln, die den Strukturwandel fördern. Elisabeth Slapio, die für die IHK Köln als Geschäftsführerin für den Bereich Innovation und Umwelt tätig ist, unterstrich die, für die nächsten Jahrzehnte bleibende Bedeutung der Braunkohleverstromung als Sicherheitsgarantie für eine dauerhaft stabile Stromversorgung. Dass die Energiewirtschaft eng mit der Forschung zusammenarbeite, erläuterte Prof. Nicolas Brüggemann vom Institut für Bio und Geowissenschaften am Forschungszentrum Jülich. So würde sein Institut bereits heute gut mit der Abteilung Rekultivierung von RWE zusammenarbeiten. Professor Walter Leitner vom Lehrstuhl für Technische Chemie und Petrochemie an der RWTH Aachen stellte Technologien vor, mit denen zum Beispiel CO2 als Rohstoff für Produkteder chemischen Industrie genutzt werden könne.
In einer zweiten Diskussionsrunde, diesmal unter Moderation des Landtagsabgeordneten Rainer Thiel präsentierten Dr. Lothar Mahnke, Geschäftsführer der AGIT GmbH und Dr. Reimar Molitor, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Region Köln/Bonn e.V. raumplanerische Prognosen für die Entwicklung des Rheinischen Reviers. Boris Linden, Prokurist der IRR, schilderte unter anderem anhand des IRR-Ideenwettbewerbs, mit welchen innovativen Projekten die Region vorangebracht werde. Frank Löllgen, Landesbezirksleiter Nordrhein der IGBCE, verdeutlichte die Notwendigkeit, den Strukturwandel so zu gestalten, dass für die heimischen Arbeitnehmer, insbesondere aus der Bergbau- und der Energiebranche, keine Nachteile entstehen.
Dass der Strukturwandel die Kommunen im Rheinischen Revier ein zentrales Thema ist, das auch auf landespolitischer Ebene nicht aus dem Blick geraten darf, verdeutlichte zum Ende der Veranstaltung der „Elsdorfer Appell“, mit dem sich die Bürgermeister Rudi Bertram (Eschweiler), Herrmann Heuser (Niederzier), Klaus Krützen (Grevenbroich), Dr. Martin Mertens (Rommerskirchen) und Sascha Solbach (Bedburg) an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wandten. In dem Appell fordern die fünf Bürgermeister von der Landespolitik Planungssicherheit für den schrumpfenden Bergbau, den Einsatz für freie Flächen zur Entwicklung neuer Gewerbe- und Wohngebiete, die Investition in eine technische Fachhochschule für das Rheinische Revier um kluge Köpfe vor Ort zu fördern und eine sichtbare Landmarke zu setzen, die an die industriegeschichtliche Entwicklung des Braunkohletagebaus im Rheinischen Revier erinnert.
Lesen Sie hier den Bericht: "Bürgermeister machen Druck – NRW-SPD diskutiert über Wandel und Entwicklung des Kohlereviers" von Melanie Specht im Kölner Stadt Anzeiger und der Kölnischen Rundschau vom 14.11.2016:
"„Mundfunk schlägt den Rundfunk", habe einmal Johannes Rau gesagt. Diesem Zitat schließt sich der Landtagsabgeordnete Guido van den Berg an. Wer den Strukturwandel aktiv und erfolgreich gestalten will, der muss darüber reden-nicht zuletzt auch mit den Bürgern. Schon jetzt geht die Bedeutung der Braunkohle als Energieträger zurück; schon 2030 wird die Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier um 40 bis 50 Prozent zurück gegangen sein. Das hat nicht nur gute Auswirkungen auf die Umwelt – sondern verunsichert auch. Etwa die rund 10000 direkt Beschäftigten im Braunkohlesektor, aber auch die Beschäftigten bei Zulieferern und im Handel. Bei einer „Zukunftskonferenz" der NRW-SPD zum Thema „Sicherheit im Wandel – Konzepte für das Rheinische Braunkohlenrevier" verständigten sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aber auch interessierte Bürger darüber, wie der Strukturwandel im Revier gelingen kann.
Van den Berg moderierte den Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmern der 2011 ins Leben gerufenen Innovationsregion Rheinisches Revier GmbH, dessen Basis interessante, aber knapp gehaltene Fachvorträge bildeten. Dr. Lars Kulik, Vorstandsmitglied im Ressort Braunkohle bei RWE betonte: „Unser Fahrplan steht im Einklang mit dem Klimaschutzplan – wir sind nicht gegen die Energiewende und bereit, mit der IRR Projekte zu entwickeln, die den Strukturwandel im Revier fördern.« Bis 2020 will RWE unter anderem 15 Prozent weniger CO2-Ausstoß verursachen. Elisabeth Slapio, Geschäftsführerin für den Bereich Innovation und Umwelt der IHK Köln, setzte voraus, dass die Anforderungen an den Klimaschutz nicht nur regionale, sondern weltweite Reaktionen forderten.
„Die fossile Gewinnung der Braunkohle wird auslaufen, aber zurzeit müssen wir noch mit der Kohle kalkulieren, weil wir eine sichere Stromversorgung brauchen. Innerhalb des Strukturwandels konkreter zu werden, ist eine der schwierigsten Aufgaben.« Slapio setzt auf die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Probleme von Unter-nehmen, die sich um Wettbewerbsfähigkeit sorgten, müssten als konkrete Fragestellungen in die Gestaltung des Strukturwandels einfließen.
Seitens der Wissenschaft sprachen Professor Doktor Walter Leitner vom Lehrstuhl für Technische Chemie und Petrolchemie der RWTH Aachen und Professor Nicholas Brüggemann vom Institut für Bio- und Geowissenschaften am Forschungszentrum Jülich. Leitner ging kurz auf die Möglichkeiten der Nutzung von CO2 als Rohstoff oder die Nutzung von Hüttengasen aus der Stahlproduktion als Ausgangsstoff für Chemikalien.
Bester Rohstoff jedoch sei der Nachwuchs – deshalb will die RWTH Aachen kreative Köpfe und Studenten fördern. Brüggemann vom FZ Jülich ging auf die Themen Stickstoffproblematik in der Landwirtschaft und den Braunkohleausstiegsthematik ein. Sein Institut arbeitet eng mit der RWE-Rekultivierungsabteilung zusammen.
Ein zweiter Themenkomplex widmete sich der innovativen Nutzung rekultivierter Tagebauflächen. Konkrete Forderungen kamen seitens der Bürgermeister aus der Rheinischen Region auf den Tisch. Über Marc Herter, MdL und parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag NRW, überreichten die Bürgermeister Sascha Solbach (Bedburg), Rudi Bertram (Eschweiler) Hermann Heuser (Niederzier), Dr. Martin Mertens (Rommerskirchen), Klaus Kratzen (Grevenbroich) einen an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und den Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion NRW adressierten Brief.
Der „Elsdorfer Appell an die NRW-SPD" enthält Themen, für die die Fraktion Impulse erarbeiten soll. Sie soll etwa deutlich machen, dass die Braunkohle so lange gebraucht wird, bis erneuerbarer Strom technisch und wirtschaftlich speicherbar ist. Die NRW-SPD soll sich „für eine neue Gewerbe- und Stadtentwicklung einsetzen, den Wandel der Region mit moderner Infrastruktur unterstützen, durch eine technische Fachhochschule im Revier ein Signal zur Stärkung der Bildungsinfrastruktur senden« und nicht zuletzt den Beginn einer Industriekultur fördern, wie sie im Ruhrgebiet gepflegt wird. Immerhin sei der Braunkohlebagger das größte mobile Landfahrzeug der Menschheit – darauf könne man auch einmal stolz sein."