Neue Nutzung der Braunkohle

Dierk Timm, Guido van den Berg MdL, Dr. Lars Kulik, Joachim Diehl, Dr. Srefan Gärtner und Dr. Reimer Molitor
Dierk Timm, Guido van den Berg MdL, Dr. Lars Kulik, Joachim Diehl, Dr. Srefan Gärtner und Dr. Reimer Molitor

Beim Strukturwandel im rheinischen Revier spielt die Braunkohle möglicherweise als Rohstoff für die Chemie eine Rolle. Lesen Sie hier den Bericht "Neue Nutzung der Braunkohle" des Kölner Stadt Anzeigers vom 01.12.2014 von Melanie Specht. Die SPD-Kreistagsfraktion diskutierte über Gestaltungsmöglichkeiten in der Region. Es müssten konkrete Projekte geschaffen und ein Strukturwandel herbeigeführt werden bezüglich des Braunkohleabbaus, der sich dem Ende neigt.

Jetzt müssen konkrete Projekte erstellt, Aufgaben verteilt, Verbünde gebildet werden – da sind sich Politik und Unternehmen einig. Der Strukturwandel im Rheinischen Revier muss jetzt eingeleitet werden, damit die Region vorbereitet ist, wenn etwa 2045 der Braunkohleabbau zu Ende geht.

Auf die Fahne geschrieben hat sich die Gestaltung dieses Wandels die Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) GmbH. Auf Einladung der SPD-Kreistagsfraktion nahmen am Samstag Joachim Diehl, Geschäftsführer der Innovationsregion Rheinisches Revier, Dr. Reimar Molitor, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins Region Köln/Bonn, Guido van den Berg (SPD), Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Handwerk und Mittelstand im Landtag NRW, Dr. Lars Kulik, RWE Power AG, und Dr. Stefan Gärtner vom Institut für Arbeit und Technik, in Impulsvorträgen Stellung zu im Rhein-Erft-Kreis vorstellbaren Projekten.

Bisher habe die IRR, zu der die Kreise Düren, Euskirchen, Heinsberg, der Rhein-Erft-Kreis und der Rhein-Kreis Neuss sowie die Städteregion Aachen mit insgesamt 64 Städten und Gemeinden gehören, „trotz der Einrichtung von Arbeitsgruppen und Kontakt mit Fachkräften keine wirklichen Ergebnisse erzielt“, so Diehl. Nun sollten die Dinge noch einmal neu aufgestellt werden.

Auf Einladung des Landtags hatte Gärtner im Frühjahr dieses Jahres eine Studie zum Thema präventiver Strukturwandel verfasst. Von einem sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle riet der Wissenschaftler ab. Vielmehr müsse versucht werden, den Wandel langsam und ohne soziale Verwerfungen zu gestalten. Energiegärten sollen den Mittelpunkt des Wandels bilden – dazu zählten Themen wie klimaneutrales Wohnen sowie unter anderem energieeffiziente Verkehrsstrukturen und Logistik. Auch die stoffliche Nutzung von Braunkohle, regenerative Energien und das Thema „virtuelles Kraftwerk“ spielten eine große Rolle.

Auf die stoffliche Nutzung der Braunkohle ging van den Berg ein. Die Rolle der Braunkohle werde sich ändern, so der Landtagsabgeordnete. In Zukunft werde sie nur noch einspringen, wenn der Wind nicht weht. Dennoch lohne es sich, die Kohle genau zu betrachten: Im chemischen Prozess könne sie vergast werden und als Ersatz für Öl dienen. „Wir haben hier einen Schatz, der auch für die chemische Industrie genutzt werden kann.“

Eines der wichtigsten Projekte, das der Rhein-Erft-Kreis im Rahmen der IRR nun konkret vorantreiben will, ist der Ausbau virtueller Kraftwerke. Darunter versteht man den Zusammenschluss mehrerer dezentraler Stromerzeugungsquellen, zum Beispiel Fotovoltaik-, Biogasanlage und Windpark an verschiedenen Standorten, zu einer Leistungsgröße.

Wohnraum und Gewerbeflächen

Auch mit dem Nebenprodukt Wasserstoff aus der chemischen Industrie müsse man mehr machen, so van den Berg. Beispielsweise könnte ein Ziel die Umrüstung der Busse für den öffentlichen Personennahverkehr in der Region auf umweltfreundliche Wasserstofftechnologie sein. Nicht zuletzt dürften die Flächen ehemaliger Tagebaue nach der Rekultivierung nicht ausschließlich nur für Freiraum genutzt werden, sondern müssten auch als Wohnraum und Gewerbefläche dienen. Weiter soll die Wertschöpfungskette der Braunkohle verlängert werden – Wärmepotenziale aus Kraftwerken und Sümpfungswässern sollen energetisch genutzt werden.

Im Innovationszentrum Niederaußem werde derweil weiter an der CO2 -Nutzung geforscht, so Kulik. Außerdem fördere RWE energieeffizientes Bauen und werde die Nutzung der Abwärme aus Kraftwerk und Sümpfungswässer weiterhin unterstützen. Ebenfalls werde die Biogasanlage fertig gebaut, so Kulik.

Der Verein Region Köln/Bonn werde weiterhin das Projekt Terra nova betreuen, sagte Molitor. „Dabei werden wir auch dafür sorgen, dass es am Südrand Hambach voran geht.“

Die Frage aller Fragen, so SPD-Fraktionsvorsitzender Hans Krings, laute nun: „Was wird konkret daraus. Die Impulse werden sich in Initiativen ergießen. Da wird aber nur etwas draus werden, wenn wir die IRR alle gemeinsam tragen.“

Lesen Sie hier das Interview: "Die Akteure müssen sichjetzt einbringen", in dem Reimar Molitor die Umsetzung konkreter Projekte im rheinischen Revier fordert. Das Gespräch im Kölner-Stadt-Anzeiger vom 01.12.2014 führte Melanie Specht:

"Welche Chancen sehen Sie in der Innovationsregion Rheinisches Revier?

Die IRR ist ein guter Anlass, präventiven Strukturwandel und Zukunft zu gestalten. Dies gilt es zu nutzen. Jetzt muss geschaut werden, auf welche Projekte man Ideen herunterbrechen kann. Sie sehen das Projekt Terra nova als idealtypische Entwicklung, die als Vorbild for die IRR stehen kann.

Was hat das Projekt gezeigt?

Als vor zehn Jahren die Regionale startete, konnte sich niemand etwas darunter vorstellen. Es wurde nichts Konkretes erarbeitet. Mit dem Projekt Terra nova in Bedburg, Bergheim, Elsdorf und dem Rhein-Erft-Kreis sind dann jedoch sehr reale Projekte entstanden: Ein eigenes Gewerbegebiet oder Freizeitprojekte. Was niemand richtig gesehen hat: Das sind sehr innovative Projekte. Dazu gehört beispielsweise auch die Beheizung von Bergheimer Schulen oder des Kreishauses mit Hilfe des Sümpfungswassers aus dem Tagebau. Aus meiner Sicht hat Terra nova gezeigt, was die IRR leisten sollte. Der Verein Region Köln-Bonn will das Projekt Terra nova auch weilerhin begleiten.

Welche Entwicklungen stehen diesbezüglich an?

Terra nova muss in eine Art Phase 2.0 einsteigen. Hier kann man Dinge ausprobieren wie in einem großen Labor. Es müssen zum Beispiel Gewerbeflächen entwickelt werden, die für neue Technologien und Anwendungen Platz bieten.

In welchem Teilraum der IRR gibt es noch Handlungsbedaf?

Finden muss sich noch der Südraum Hambach mit Kerpen, Niederzier oder Merzenich. Da sehe ich konzeptionell noch Bedarf. So wie bei Terra nova müsste hier überlegt werden, welche Projekte eingebracht werden könnten. Man sollte auch Hürth-Knapsack nicht verpassen. Hier kommen Energiegewinnung und Chemieproduktion zusammen. Die Ressource Wasserstoff als Nebenprodukt der chemischen Industrie birgt ein großes Potenzial.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzungen neuer Ideen?

Eigentlich keine. Auf der ersten Revierkonferenz in Jülich hat die IRR aus meiner Sicht eine Art Spielbrett aufgestellt. Jetzt müssen Akteure und Kommunen ihre Figuren aufs Spielbrett setzen und sich in Position für ihre Züge begeben.

Was gillt es dafür zu tun?

Es muss jetzt real werden. Kommunale Verbünde müssen sich bilden, um Innovationsprojekte auf den Weg zu bringen. Die Akteure müssen sich konkret einbringen. Sie müssen deutlich machen: Das und das haben wir zu bieten, dieses Alleinstellungsmerkmal zeichnet uns aus. Wir sind nun nicht mehr nur in der Phase des Jagens und Sammelns – jetzt geht es rund."