
In der heutigen Plenarsitzung haben Dagmar Andreas, Guido van den Berg, Brigitte Dmoch-Schweren (alle Rhein-Erft-Kreis), Stefan Kämmerling (Kreis Aachen), Peter Münstermann (Kreis Düren) und Rainer Thiel (Rhein-Kreis-Neuss) eine gemeinsame Erklärung zum Abstimmungsverhalten im Rahmen der Unterrichtung der Landesregierung zur „Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers – weiteres Verfahren zu Garzweiler II“ in die Debatte eingebracht. Guido van den Berg sprach stellvertretend für die Gruppe gem. § 47 (1) der Geschäftsordnung des Landtags:
"Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rohwedder. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.
Bevor wir zur Abstimmung über den vorliegenden Antrag 16/5473 kommen: Es besteht der Wunsch von sechs Abgeordneten der SPD-Fraktion, gemäß unserer Geschäftsordnung eine mündliche Erklärung zu ihrem Abstimmungsverhalten abzugeben.
(Zurufe von der CDU: Oh! – Kai Abruszat [FDP]: Dann ist es wohl doch nicht so einfach!)
Ich erteile daher Herrn Abgeordneten van den Berg stellvertretend für diese sechs Abgeordneten das Wort. – Die Redezeit für diese Erklärung, Herr van den Berg, beträgt drei Minuten. Bitte schön.
Guido van den Berg (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kolleginnen Dagmar Andres und Brigitte Dmoch-Schweren sowie meine Kollegen Stefan Kämmerling, Peter Münstermann und Rainer Thiel haben mich gebeten, für uns eine gemeinsame Erklärung zu der gleich folgenden Abstimmung abzugeben.
Wir sehen die Ankündigung der NRW-Landesregierung kritisch, bereits zum jetzigen Zeitpunkt im vierten Umsiedlungsabschnitt den Verzicht einer Umsiedlung von Holzweiler, Dackweiler und dem Hauerhof in Aussicht zu stellen. Dies widerspricht der geübten Praxis, die Notwendigkeit von Umsiedlungen dann zu prüfen, wenn sie anstehen.
Die sechs Abgeordneten können sich aber auch nicht dem vorgelegten Antrag von CDU und FDP anschließen,
(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)
da er außer Acht lässt, dass eine Planung jetzt mit insgesamt rund 3,2 Milliarden Tonnen gesichert wird und damit eine Planungssicherheit für einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren geschaffen wird. Hieraus eine akute Gefahr für Zehntausende von Arbeitsplätzen ableiten zu wollen – und das macht der CDU-FDP-Antrag – ist aus unserer Sicht schlicht unsachlich.
Mit Blick auf Art. 30 der Landesverfassung betonen wir sechs Abgeordneten unsere Überzeugung, dass der subventionsfreie Rohstoff Braunkohle in der Energiewende noch lange gebraucht wird.
(Christian Lindner [FDP]: Richtig! – Zuruf von den PIRATEN)
Nach den Plänen der Bundesregierung soll 2050 der Strom zu 80 % aus Erneuerbaren kommen, zu 20 % aber immer noch aus Fossilen. Wir sollten den heimischen konkurrenzfähigen Rohstoff daher anders schätzen lernen.
(Christian Lindner [FDP]: Richtig!)
Ein Land, das seinen Strom zu etwa 50 % für die Industrieproduktion benötigt, ist in der Verantwortung, eine stabile, sichere und konkurrenzfähige Energieversorgung als langfristiges Ziel zu haben.
(Christian Lindner [FDP]: Richtig!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ungeachtet unserer Skepsis hinsichtlich der Entbehrlichkeit eines Umsiedlungsverfahrens im vierten Abschnitt lehnen wir aber auch aus tiefer Überzeugung den von CDU und FDP vorgelegten Antrag ab, da er keine Planungssicherheit für den dritten Abschnitt bedeutet, der jetzt konkret ansteht, und sich auch um die Frage herumdrückt, wie man sich im vierten Abschnitt verhalten will.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und ein herzliches Glückauf!
(Beifall von der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr van den Berg."
Neben der Erklärung im Plenum stellen Dagmar Andres, Guido van den Berg und Brigitte Dmoch-Schweren zum Antrag der CDU/FDP-Landtagsfraktionen weiter fest:
„Wir finden es befremdlich, dass die CDU beim Thema Garzweiler II nun derart populistische Töne anschlägt, denn 2012 forderte die CDU im Landtag noch die Verschiebung von Abbaugrenzen in Tagebauen und damit Tagebauverkleinerungen. Im Jahr 2013 äußerte sich ein CDU-Redner im Rahmen der Garzweiler Debatte, dass er die Notwendigkeit des Tagebaus in Frage stelle und erklärte, dass er sich „über viele Jahre vehement gegen diesen Tagebau gewehrt“ habe und „den Widerstand in jeder freien Minute unterstützt"? Auch verhinderte die CDU in der Regierungszeit Rüttgers im Regionalrat mit den Grünen und der PDS den Kraftwerksneubau in Niederaußem. Leider sind die CDU-Äußerungen in der aktuellen Garzweiler II-Debatte daher nur purer Populismus auf dem Rücken der Beschäftigten im Braunkohletagebau. Denn aktuell gibt es in den drei Tagebauen Planungssicherheit für 3,2 Mrd. Tonnen Braunkohle. Bei heutiger Förderleistung reicht das für gut 29 Jahre. Wer eine akute Gefahr für zehntausende Arbeitsplätze konstruiert, betreibt unsachliche parteipolitische Propaganda. Hannelore Kraft hat klargestellt, dass auch noch in 2045 in Garzweiler Tagebaubetrieb möglich ist. Zur Wahrheit gehört aber, dass wir einen Strukturwandel erleben werden und uns möglichst früh darauf einstellen sollten, um auch künftig Energieregion bleiben zu können. Hier ist für alle Parteien viel zu tun.“
Lesen Sie hier den Bericht "Garzweiler II: Zu früh aufgegeben?" zu einem Interview von Guido van den Berg am 09.04.2014 in WDR 2:
"Der vom Energieriesen RWE betriebene Braunkohletagebau Garzweiler II soll nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen verkleinert werden. Durch die Verkleinerung des Abbaugebietes blieben die Gemeinde Holzweiler, das Dorf Dackweiler und ein einzelner Hof von der Umsiedlung verschont. Guido van den Berg (SPD), Mitglied des Düsseldorfer Landtages in NRW und Vorsitzender seiner Partei im Rhein-Erft-Kreis, warnte auf WDR 2, zu früh bereits genehmigte Tagebau-Felder aufzugeben.
"Nicht zu frühzeitig Ausstiegsszenerien proklamieren"
"Energiewende ist eine hochkomplexe Geschichte und jetzt schon abzusehen, wie es im Jahre 2030 genau aussehen wird und ob die Braunkohle da noch eine Rolle spielen muss als Reserve für die erneuerbaren Energien […], ich glaube, da muss man mit Vorsicht ran und habe deswegen dazu gemahnt, nicht zu frühzeitig Ausstiegsszenerien proklamieren, sondern es dann zu entscheiden, wenn man es wirklich absehen kann."
Betriebsgenehmigung geht bis 2045
Die Betriebsgenehmigung ginge bis 2045 und solange könne Kohle in Garzweiler gefördert werden – mit geringeren Mengen. Das sei völlig logisch, weil in Zukunft sicherlich nicht mehr die Kohleeinsatzmengen benötigt würden, wenn die Energiewende gelingt, so van den Berg. Dass behauptet werde, SPD und Grüne opferten Arbeitsplätze und sichere bezahlbare Energieversorgung in NRW, sieht der SPD-Politiker nicht. Das sei Wahlkampf- und Parteirhetorik und habe mit den Fakten wenig zu tun. "Wir haben jetzt einen gesicherten Braunkohle-Abschnitt, einen Umsiedlungsabschnitt bis 2035, wir haben zusätzlich auch die Perspektive in Garzweiler noch weitermachen zu können bis 2045 – daraus ableiten zu wollen, dass tausende von Arbeitsplätzen jetzt zur Disposition stehen, das ist Rhetorik von CDU und FDP, hat aber mit der Sachlage nichts zu tun."
Braunkohle hat viele Nutzungsmöglichkeiten
Van den Berg räumt allerdings Bedenken ein: "Ich hätte am Schluss mir gewünscht, dass wir jetzt nicht eine Erklärung herausgeben, wo Holzweiler, Dackweiler und der Hauerhof herausgenommen werden. Der Rohstoff, den wir in der Erde haben, ist wertvoll, den brauchen wir noch für künftige Generationen." Braunkohle habe noch andere Nutzungsmöglichkeiten: Man könne sie auch stofflich nutzen, als Grundstoff für die chemische Industrie. "Deswegen warne ich davor, zu früh solche genehmigten Tagebaufelder aufzugeben. Das ist jetzt ein stückweit anders entschieden worden. […] Ich glaube, dass meine Meinung gute Argumente hat und werbe weiter dafür.""
Lesen Sie hier den Bericht: "Kritik an Garzweiler-Entscheidung – Der Tagebau Garzweiler II soll verkleinert werden." von Fabian Klask im Kölner-Stadt-Anzeiger vom 10.04.2014:
"Ministerpräsidentin Kraft hat vor dem Landtag betont, dass der Garzweiler-Kompromiss keine Arbeitsplätze kosten solle. Die Entscheidung stößt auf heftige Kritik. Sechs SPD-Abgeordnete distanzierten sich jetzt von dem Beschluss.
War es nun der Anfang vom Ausstieg aus der Braunkohle oder doch nicht? Mit ihrer Garzweiler-Entscheidung hatte die rot-grünen Landesregierung vor zwei Wochen viele überrascht: Seitdem wird in Düsseldorf und im Rheinischen Braunkohlerevier über die Folgen der beschlossenen Verkleinerung des Tagebaus debattiert. Vor dem Landtag betonte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), die Entscheidung ihrer Regierung werde keine Arbeitsplätze kosten. Sie schaffe „im Gegenteil ein Maß an Investitions- und Planungssicherheit, das es so in keinem andren Industriebereich gibt“.
Auch die Energieversorgung in NRW und in Deutschland werde durch die Entscheidung ihrer Regierung nicht gefährdet, sagte Kraft am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag.
Der in den nächsten Jahrzehnten notwendige Strukturwandel in der rheinischen Braunkohleregion werde begleitet und könne ohne soziale Brüche bewältigt werden. „Das Land wird die Region nicht im Stich lassen.“
Van den Berg nennt Entscheidung verfrüht
Sechs SPD-Abgeordnete sind allerdings weniger zufrieden mit dem rot-grünen Kompromiss, der vor allem die kohlekritischen Grünen freut: Guido van den Berg, Abgeordneter aus dem Rhein-Erft-Kreis stelle eine gemeinsame Erklärung von sechs SPD-Abgeordneten aus dem rheinischen Braunkohle-Revier vor. Sie distanzieren sich darin von dem Beschluss der rot-grünen Koalitionsspitzen, auf die Umsiedlung von über 1400 Menschen der Erkelenzer Ortschaften Holzweiler, Dackweiler und des Gutes Hauerhof zu verzichten. Die Entscheidung sei verfrüht, sagte Guido van den Berg. Allerdings sei auch die Behauptung von CDU und FDP falsch, dass der Beschluss Zehntausende Arbeitsplätze gefährde.
Auch CDU und FDP argumentierten in einem gemeinsamen Antrag, der Umsiedlungsverzicht sei unnötig und voreilig, weil niemand sagen könne, in welchem Tempo die Wende zu erneuerbaren Energien gelinge und wie lange die Braunkohle noch gebraucht werde. Die Piraten forderten dagegen ein Braunkohle-Ausstiegsgesetz.
SPD-Fraktionschef Norbert Römer betonte: „Im gesamten rheinischen Revier wird es bis Mitte dieses Jahrhunderts noch Braunkohlebergbau geben – in Garzweiler über das Jahr 2030 hinaus.“ Das bedeute Planungssicherheit für Unternehmen und soziale Sicherheit für 35 000 Arbeitnehmer, die hier direkt und indirekt mit dem Braunkohletagebau verbunden seien. Klar sei aber auch: „Der Bedarf an Braunkohle wird sinken.“
Das Argument von CDU und FDP, Arbeitsplätze und Energieversorgung würden gefährdet, um den rot-grünen Koalitionsfrieden zu sichern, sei absurd, sagte Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen. Tatsächlich hätten die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden noch 3,2 Milliarden Tonnen Braunkohlereserven. Dieses Potenzial könnte noch 29 Jahre gefördert werden.
FDP-Landtags- und Parteichef Christian Lindner sprach dagegen von einem „De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle“. Kraft manövriere das Land „auf eine energiepolitische Geisterfahrt“ und gefährde zulasten des letzten subventionsfreien, heimischen, rentablen Energieträgers die Investitionssicherheit in NRW, um sich bei den Grünen Zustimmung zu anderen Projekten zu erkaufen. „Sie verkaufen ihre sozialdemokratische Identität an ihren Grünen-Koalitionspartner.“
Auch CDU-Fraktions- und Landesparteichef Armin Laschet betonte, die Braunkohle sei auf dem Weg der Energiewende unverzichtbar, weil der Strombedarf in Deutschland auf absehbare Zeit nicht ohne Kohle zu decken sei. Am Ende näherte sich aber auch Laschet dem rot-grünen Beschluss an. Der CDU-Chef garantierte den Ortschaften, die nun von Umsiedlung verschont werden, nicht an der Entscheidung zu rütteln, falls die CDU 2017 die Landtagswahl gewinne. „Die Sicherheit geben wir Ihnen.“"
Garzweiler II reißt nicht nur Risse durch die rheinische Region. Auch in den Ortschaften, zwischen den Parteien und sogar in eigenen Reihen ist die Zukunft des Braunkohletagebaus umstritten. Regierungschefin Kraft kann nicht alle SPD-Abgeordneten hinter sich bringen.
Trotz der Verkleinerung des Braunkohletagebaus Garzweiler II sind die Arbeitsplätze in der Region aus Sicht der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sicher. Auch die Energieversorgung in NRW und in Deutschland werde durch die Entscheidung ihrer Regierung nicht gefährdet, sagte Kraft am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag.
Der in den nächsten Jahrzehnten notwendige Strukturwandel in der rheinischen Braunkohleregion werde begleitet und könne ohne soziale Brüche bewältigt werden. "Das Land wird die Region nicht im Stich lassen."
Sechs SPD-Abgeordnete aus dem rheinischen Braunkohle-Revier distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung von dem Beschluss der rot-grünen Koalitionsspitzen, auf die Umsiedlung von über 1400 Menschen der Erkelenzer Ortschaften Holzweiler, Dackweiler und des Gutes Hauerhof zu verzichten. Die Entscheidung sei verfrüht, sagte Guido van den Berg aus dem Rhein-Erft-Kreis. Allerdings sei auch die Behauptung von CDU und FDP falsch, dass der Beschluss Zehntausende Arbeitsplätze gefährde.
Piraten fordern Braunkohle-Ausstiegsgesetz
Auch CDU und FDP argumentierten in einem gemeinsamen Antrag, der Umsiedlungsverzicht sei unnötig und voreilig, weil niemand sagen könne, in welchem Tempo die Wende zu erneuerbaren Energien gelinge und wie lange die Braunkohle noch gebraucht werde. Die Piraten forderten dagegen ein Braunkohle-Ausstiegsgesetz.
SPD-Fraktionschef Norbert Römer betonte: "Im gesamten rheinischen Revier wird es bis Mitte dieses Jahrhunderts noch Braunkohlebergbau geben – in Garzweiler über das Jahr 2030 hinaus." Das bedeute Planungssicherheit für Unternehmen und soziale Sicherheit für 35.000 Arbeitnehmer, die hier direkt und indirekt mit dem Braunkohletagebau verbunden seien. Klar sei aber auch: "Der Bedarf an Braunkohle wird sinken."
Lindner spricht von "De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle"
Das Argument von CDU und FDP, Arbeitsplätze und Energieversorgung würden gefährdet, um den rot-grünen Koalitionsfrieden zu sichern, sei absurd, sagte Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen. Tatsächlich hätten die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden noch 3,2 Milliarden Tonnen Braunkohlereserven. Dieses Potenzial könnte noch 29 Jahre gefördert werden.
So viel Planungssicherheit gebe es in keinem anderen Industriebereich, sagte Kraft. Priggen fragte die Opposition: "Glauben Sie, dass Thyssen seinen Stahlarbeitern 29 Jahre gleiche Produktion garantiert – oder Autohersteller? Das gibt es nirgendwo."
FDP-Landtags- und Parteichef Christian Lindner sprach dagegen von einem "De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle". Kraft manövriere das Land "auf eine energiepolitische Geisterfahrt" und gefährde zulasten des letzten subventionsfreien, heimischen, rentablen Energieträgers die Investitionssicherheit in NRW, um sich bei den Grünen Zustimmung zu anderen Projekten zu erkaufen. "Sie verkaufen ihre sozialdemokratische Identität an ihren Grünen-Koalitionspartner."
CDU will nicht an Garzweiler-Entscheidung rütteln
Auch CDU-Fraktions- und Landesparteichef Armin Laschet betonte, die Braunkohle sei auf dem Weg der Energiewende unverzichtbar, weil der Strombedarf in Deutschland auf absehbare Zeit nicht ohne Kohle zu decken sei. Laschet garantierte aber den Ortschaften, die nun von Umsiedlung verschont werden, nicht an der Entscheidung zu rütteln, falls die CDU 2017 die Landtagswahl gewinne. "Die Sicherheit geben wir Ihnen."
Bis Mitte des nächsten Jahres will die Landesregierung in einer Leitentscheidung definieren, wie es mit dem rheinischen Revier weitergeht. Dort würden Festlegungen zu Kohlefördermengen, CO2-Emissionen aus der Braunkohleverstromung, Effizienzsteigerung des Kraftwerksparks und zum Ausbau erneuerbarer Energien getroffen, kündigte Kraft an. Die Landesregierung habe zudem bereits eine Initiative auf den Weg gebracht, um mit Wissenschaftlern, Unternehmen, Gewerkschaftern, Kommunen und Kammern neue Perspektiven für die Region zu entwickeln."
Lesen Sie hier den Bericht: "Kraft garantiert Sicherheit für Braunkohle-Arbeitsplätze" in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 10.04.2014:
"Garzweiler II reißt nicht nur Risse durch die rheinische Region. Auch in den Ortschaften, zwischen den Parteien und sogar in eigenen Reihen ist die Zukunft des Braunkohletagebaus umstritten. Regierungschefin Kraft kann nicht alle SPD-Abgeordneten hinter sich bringen.
Trotz der Verkleinerung des Braunkohletagebaus Garzweiler II sind die Arbeitsplätze in der Region aus Sicht der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sicher. Auch die Energieversorgung in NRW und in Deutschland werde durch die Entscheidung ihrer Regierung nicht gefährdet, sagte Kraft am Mittwoch im Düsseldorfer Landtag.
Der in den nächsten Jahrzehnten notwendige Strukturwandel in der rheinischen Braunkohleregion werde begleitet und könne ohne soziale Brüche bewältigt werden. "Das Land wird die Region nicht im Stich lassen."
Sechs SPD-Abgeordnete aus dem rheinischen Braunkohle-Revier distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung von dem Beschluss der rot-grünen Koalitionsspitzen, auf die Umsiedlung von über 1400 Menschen der Erkelenzer Ortschaften Holzweiler, Dackweiler und des Gutes Hauerhof zu verzichten. Die Entscheidung sei verfrüht, sagte Guido van den Berg aus dem Rhein-Erft-Kreis. Allerdings sei auch die Behauptung von CDU und FDP falsch, dass der Beschluss Zehntausende Arbeitsplätze gefährde.
Piraten fordern Braunkohle-Ausstiegsgesetz
Auch CDU und FDP argumentierten in einem gemeinsamen Antrag, der Umsiedlungsverzicht sei unnötig und voreilig, weil niemand sagen könne, in welchem Tempo die Wende zu erneuerbaren Energien gelinge und wie lange die Braunkohle noch gebraucht werde. Die Piraten forderten dagegen ein Braunkohle-Ausstiegsgesetz.
SPD-Fraktionschef Norbert Römer betonte: "Im gesamten rheinischen Revier wird es bis Mitte dieses Jahrhunderts noch Braunkohlebergbau geben – in Garzweiler über das Jahr 2030 hinaus." Das bedeute Planungssicherheit für Unternehmen und soziale Sicherheit für 35.000 Arbeitnehmer, die hier direkt und indirekt mit dem Braunkohletagebau verbunden seien. Klar sei aber auch: "Der Bedarf an Braunkohle wird sinken."
Lindner spricht von "De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle"
Das Argument von CDU und FDP, Arbeitsplätze und Energieversorgung würden gefährdet, um den rot-grünen Koalitionsfrieden zu sichern, sei absurd, sagte Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen. Tatsächlich hätten die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden noch 3,2 Milliarden Tonnen Braunkohlereserven. Dieses Potenzial könnte noch 29 Jahre gefördert werden.
So viel Planungssicherheit gebe es in keinem anderen Industriebereich, sagte Kraft. Priggen fragte die Opposition: "Glauben Sie, dass Thyssen seinen Stahlarbeitern 29 Jahre gleiche Produktion garantiert – oder Autohersteller? Das gibt es nirgendwo."
FDP-Landtags- und Parteichef Christian Lindner sprach dagegen von einem "De-facto-Ausstieg aus der Braunkohle". Kraft manövriere das Land "auf eine energiepolitische Geisterfahrt" und gefährde zulasten des letzten subventionsfreien, heimischen, rentablen Energieträgers die Investitionssicherheit in NRW, um sich bei den Grünen Zustimmung zu anderen Projekten zu erkaufen. "Sie verkaufen ihre sozialdemokratische Identität an ihren Grünen-Koalitionspartner."
CDU will nicht an Garzweiler-Entscheidung rütteln
Auch CDU-Fraktions- und Landesparteichef Armin Laschet betonte, die Braunkohle sei auf dem Weg der Energiewende unverzichtbar, weil der Strombedarf in Deutschland auf absehbare Zeit nicht ohne Kohle zu decken sei. Laschet garantierte aber den Ortschaften, die nun von Umsiedlung verschont werden, nicht an der Entscheidung zu rütteln, falls die CDU 2017 die Landtagswahl gewinne. "Die Sicherheit geben wir Ihnen."
Bis Mitte des nächsten Jahres will die Landesregierung in einer Leitentscheidung definieren, wie es mit dem rheinischen Revier weitergeht. Dort würden Festlegungen zu Kohlefördermengen, CO2-Emissionen aus der Braunkohleverstromung, Effizienzsteigerung des Kraftwerksparks und zum Ausbau erneuerbarer Energien getroffen, kündigte Kraft an. Die Landesregierung habe zudem bereits eine Initiative auf den Weg gebracht, um mit Wissenschaftlern, Unternehmen, Gewerkschaftern, Kommunen und Kammern neue Perspektiven für die Region zu entwickeln."
Lesen Sie hier den Bericht in der Rheinischen Post vom 10.04.2014: "Garzweiler: Sechs gegen Kraft – SPD-Politiker distanzieren sich von Verkleinerung des Braunkohle-Abbaus" von Gerhard Voogt:
"NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat sechs Politiker aus der eigenen Landtagsfraktion nicht davon überzeugen können, dass die geplante Begrenzung des Braunkohletagebau Garzweiler II richtig ist. Sechs SPD-Abgeordnete lehnten die Pläne zur Verkleinerung des Abbaugebietes gestern in einer persönlichen Erklärung ab. Der Rohstoff Braunkohle werde noch lange gebraucht, wenn der Wind nicht wehe und die Sonne nicht scheine, sagte der SPD-Politiker Guido van den Berg (Rhein-Erft-Kreis). "Wir sehen die Ankündigungen der NRW-Landesregierung kritisch, bereits zum jetzigen Zeitpunkt im vierten Umsiedlungsabschnitt den Verzicht einer Umsiedlung von Holzweiler, Dackweiler und dem Hauerhof in Aussicht zu stellen", sagte van den Berg.
Die Spitzen von SPD und Grünen hatten sich Ende März darauf verständigt, die geplanten Abbaumengen in dem Tagebau um rund 300 Millionen Tonnen zu verringern und damit rund 1400 Betroffenen die Umsiedlung zu ersparen. Die Entscheidung hatte eine heftige Kontroverse ausgelöst. Ministerpräsidentin Kraft betonte in ihrer Regierungserklärung, es würden keine Arbeitsplätze geopfert. Tatsächlich schaffe Rot-Grün ein Maß an Planungs- und Investitionssicherheit, wie es sie in keinem anderen Industriebereich gebe. "Das Land wird die Region nicht im Stich lassen", versprach die Regierungschefin.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warf der SPD vor, die Identität der Partei dem grünen Partner geopfert zu haben. Trotz der Krise auf der Krim gefährde die Landesregierung den letzten subventionsfreien heimischen Energieträger, um sich bei den Grünen die Zustimmung zu anderen Projekten zu erkaufen.
CDU-Chef Armin Laschet versicherte allerdings den Betroffenen im rheinischen Braunkohlerevier, die Union werde Pläne von Rot-Grün – trotz aller geübten Kritik – im Falle einer künftigen Regierungsbeteiligung nicht rückgängig machen. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen nannte die Kritik der Opposition "kleinkariertes Gemäkel".
Lesen Sie hier den Bericht: "Parteien zoffen sich um Garzweiler-Stopp" im EXPRESS vom 10.04.2014:
"Im Landtag ging es am Mittwoch um jede Menge Kohle. Im doppelten Sinne. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) verteidigte den Beschluss der Landesregierung, den Braunkohle-Tagebau Garzweiler II nun nicht mehr in vollem Umfang abzubaggern. CDU und FDP befürchten Job-Verluste.
Auch sechs SPD-Abgeordnete aus dem rheinischen Revier wehren sich gegen den Beschluss. Nach den Plänen der Landesregierung soll auf den vierten Umsiedlungs-Abschnitt verzichtet werden. Der Tagebau, der im rheinischen Revier zurzeit rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle pro Jahr liefert, soll vor Holzweiler stoppen.
Die Entscheidung sei verfrüht, kritisierte Guido van den Berg (SPD) aus dem Rhein-Erft-Kreis. Kraft hatte zuvor erklärt, mit Rücksicht auf die Emissionsziele und auch wegen der stetig steigenden Energieeffizienz wolle die Landesregierung auf den vierten Umsiedlungsabschnitt verzichten.
Zum Termin der Entscheidung erklärte sie: Der Beschluss solle am 28. April in den Braunkohleausschuss eingebracht werden. Es müsse Sicherheit für alle Betroffenen geschaffen werden. In dem Ausschuss werden die Vorbereitungen für den Tagebau koordiniert, z. B. Umsiedlungen geplant.
SPD-Fraktionschef Norbert Römer: „Im gesamten rheinischen Revier wird es bis Mitte dieses Jahrhunderts noch Braunkohlebergbau geben – in Garzweiler über das Jahr 2030 hinaus.“ Das bedeute Planungssicherheit für Unternehmen und soziale Sicherheit für 35000 Arbeitnehmer, die hier direkt und indirekt mit dem Braunkohletagebau verbunden seien. Klar sei aber auch: „Der Bedarf an Braunkohle wird sinken.“
Eine Entscheidung über Tagebaue sei existenziell für NRW, betonte NRW-CDU-Fraktionschef Armin Laschet (CDU). Die Entscheidung betreffe u.a. die Bezahlbarkeit der Energie. Daher könne man sie nicht „in Hinterzimmern“ treffen, kritisierte er die koalitionsinterne Entscheidung. „Sie haben damit die Zustimmung der Grünen für andere Projekte eingekauft“, vermutete auch Christian Lindner (FDP)."
Lesen Sie hier: "CDU rüttelt nicht an kleinerem Tagebau" im General-Anzeiger vom 10.04.2014 von Wilfried Goebels:
"Die Entscheidung, den Braunkohletagebau Garzweiler II zu verkleinern, gefährdet aus Sicht von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) weder Arbeitsplätze noch die Energieversorgung.
Der vom Energieriesen RWE betriebene Braunkohletagebau Garzweiler II soll nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung von Nordrhein-Westfalen verkleinert werden. In einer Regierungserklärung im Landtag begründete Kraft die Kabinettspläne mit veränderten Rahmenbedingungen durch die Energiewende. Während FDP-Fraktionschef Christian Lindner die Entscheidung gegen den "einzigen rentablen heimischen Energieträger" rigoros ablehnte, kritisierte CDU-Fraktionschef Armin Laschet den Regierungsbeschluss angesichts der Unsicherheiten bei der Energiewende als "verfrüht". Gleichzeitig garantierte Laschet aber den von Umsiedlung verschonten Ortschaften um Holzweiler, dass die CDU bei einem Wahlsieg 2017 an der Entscheidung "nicht rütteln wird".In der hitzigen Debatte versicherte Kraft, dass sie die rheinische Braunkohleregion beim langfristigen Strukturwandel "nicht im Stich lassen" werde. Auch ein kleineres Abbaufeld Garzweiler II werde ausreichen, den Kohlebedarf für die Kraftwerke in den nächsten 15 Jahren und "weit darüber hinaus zu decken". Mit Garzweiler II, Hambach und Inden seien ausreichende Lagerstätten für die Zukunft vorhanden. Sechs SPD-Abgeordnete distanzierten sich aber in einer gemeinsamen Erklärung vom rot-grünen Beschluss. Die Entscheidung sei verfrüht, klagte der Abgeordnete Guido van den Berg aus dem Rhein-Erft-Kreis. Laschet betonte, die Braunkohle sei auf dem Weg zur Energiewende unverzichtbar, um den Energiebedarf zu decken. Es funktioniere nicht, aus der Steinkohle und der Atomkraft auszusteigen und gleichzeitig, wie die Grünen, das Energiewende "auf der Kippe" stehe, sei die Eile für die Entscheidung nicht nötig gewesen.FDP-Fraktionschef Lindner sah den Grund für "die energiepolitische Geisterfahrt" der NRW-Landesregierung bei den Grünen. "Sie verkaufen ihre sozialdemokratische Identität an ihren grünen Koalitionspartner", warf Lindner der Regierungschefin vor. Kraft habe noch im Januar erklärt, dass es keinen Grund zur Verkleinerung der Abbaufläche gebe, zitierte Lindner. Wenige Monate später sei die Zusage Makulatur.In der Debatte verwies Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen auf die Braunkohle-Reserve von 3,2 Millionen Tonnen in den Tagebauen Hambach, Inden und Garzweiler. Die Kraftwerke könnten noch mindestens 28 Jahre weiterlaufen. Priggen bezeichnete den Verzicht auf den Abbau in Holzweiler als "menschlich notwendig". SPD-Fraktionschef Norbert Römer erwartet, dass der Bedarf an Braunkohle sinken wird. Deshalb werde es im rheinischen Revier noch "bis Mitte des Jahrhunderts Braunkohletagebau" geben. Die Piraten forderten ein Ende des "schmutzigen" Braunkohletagebaus"
Lesen Sie hier den Bericht: "Klimawandel beim Kohle-Versteher – Die Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler verstört viele NRW-Sozialdemokraten" von Bernd Dörrie in der Süddeutschen Zeitung vom 10.04.2014:
"Wenn man Norbert Römer, Fraktionschef der Düsseldorfer SPD, irgendwo trifft im Land, dann gibt es immer ein "Glück auf" zum Abschied. Römer gilt in der SPD als "Kohle-Versteher". Unter Tage hat er zwar nicht malocht, aber ganze 32 Jahre in der Abteilung Agitation und Propaganda der Bergbaugewerkschaft IGBCE gearbeitet. Noch 2008 sinnierte Römer darüber, unter dem Münsterland ein Kohlefeld neu zu erschließen. "Ein Rohstoff Schatz, um den uns viele beneiden", sagte er damals, als alle anderen schon die Steinkohle abgeschrieben hatten. Nach dem Atomunglück von Fukushima 2011 sah Römer ein grandioses Comeback der Kohle kommen. "Ich habe immer gesagt, dass es nicht richtig sein kann, unsere Lagerstätten abzuschließen und die Schlüssel wegzuwerfen!‘ So ging das weiter, immer mal wieder träumte Römer von einem Rest Sockelbergbau, grub sich ein in die Vergangenheit. Wenn man dieser Tage Norbert Römer auf die Kohle anspricht sagt er: "In der Vergangenheit sind wir beim Strukturwandel oft zu spät gekommen, heute wollen wir ihn gestalten." Es ist erstaunlich, was für ein Klimawandel sich bei Norbert Römer und Teilen der nordrhein-westfälischen SPD so abspielte in den vergangenen Tagen. Vor zwei Wochen verkündete Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), dass der Braunkohletagebau Garzweiler II verkleinert werde. Neben ihr saß Norbert Römer und nickte. Ein Dorf und ein paar Höfe bleiben von den Baggern verschont, und 300 Millionen Tonnen Kohle bleiben in der Erde. Die Menschen hätten nun endlich Klarheit, sagte Hannelore Kraft. In ihrer eigenen Partei hat sie mit dieser Entscheidung aber für einiges Durcheinander gesorgt. Die Kämpfe um den Braunkohletagebau Garzweiler II gehören zu den schwierigsten Epochen des Landes, Rot Grün einigte sich schließlich 1995 darauf, ein riesiges Loch zu graben und Tausende Menschen umzusiedeln. Es waren schwierige Jahre. Kraft machte die damalige Entscheidung nun innerhalb weniger Tage rückgängig. Und muss seitdem den eigenen Leuten erklären, dass es dennoch mit der Braunkohle längst nicht vorbei ist. Der SPD-Abgeordnete Guido van den Berg sagte unter Tränen, er sei "menschlich enttäuscht und verletzt" über die Entscheidung, Garzweiler II kleiner zu machen. Der Abgeordnete Rainer Thiel (SPD) forderte seine Regierung auf, "unseren heimischen und wirtschaftlichen Rohstoff" nicht zu vernachlässigen. Ministerpräsidentin Kraft war nun die vergangenen Tage damit beschäftigt, allen Kritikern im eigenen Lager zu versprechen, dass im Land noch viele Jahrzehnte Braunkohle abgebaut werde. Am Freitag traf sie sich zum Friedensgipfel mit dem IGBCE-Chef, am Mittwoch versicherte sie im Landtag: "Das Land wird die Region nicht im Stich lassen." Die Entscheidung sei notwendig gewesen, damit die Menschen Klarheit hätten, ob sie von einer Umsiedlung betroffen seien oder nicht.
Es waren aber nicht allein die Menschen, die die SPD zur Abkehr von der Kohle gebracht hatten, sondern vor allem der grüne Koalitionspartner. Dort ist die Freude nun groß. Die Partei hatte nach der Verkleinerung von Garzweiler erfolgreich den Eindruck erwecken können, als sei das baldige Ende der Steinkohle insgesamt gekommen. Am Mittwoch schilderte Fraktionschef Reiner Priggen die Dinge schon wieder nüchterner. In Nordrhein-Westfalen werde noch mindestens 29 Jahre lang Tagebau betrieben."
Lesen Sie hier den Bericht: "Krafts eigene Energiewende – Braunkohle-Ausstieg nach 2030? Ministerpräsidentin windet sich im Landtag nach aktueller Entscheidung zu Garzweiler II" von Kristian Frigelj in Welt Kompakt vom 10.04.2014:
"Hannelore Kraft (SPD) sagt nicht einmal das Wort "Ausstieg", aber sie spricht darüber. Die Ministerpräsidentin unterrichtet am Mittwoch den Landtag über die Entscheidung ihrer rot-grünen Landesregierung, dass langfristig weniger heimische Braunkohle als geplant abgebaut werden soll weniger Kohle abbauen, das bedeutet: weniger baggern, weniger Umweltzerstörung, weniger Umsiedlungen, weniger Polit-Sprengstoff zwischen SPD und Grünen. Kaum ein Thema vergiftete das Klima zwischen diesen beiden Parteien in den vergangenen Jahrzehnten so extrem wie der Ärger um die Genehmigung des Braunkohle-Abbaugebietes Garzweiler II in den 90er-Jahren. Weniger Garzweiler anzukündigen, bedeutet einen· Wendepunkt in der Energiepolitik – und mehr Frieden bei Rot-Grün. Kraft kann das alles so nicht sagen, weil sie auch Vorsitzende der NRW-SPD ist, die über Jahrzehnte eine Kohle-Partei war, die Subventionen für den heimischen Steinkohle-Abbau länger gewährte, als es tatsächlich sinnvoll war, und die sich als Interessenhüter der Braunkohle-Lobby verstand. Kraft muss es anders formulieren: "Die Landesregierung stellt mit ihren Entscheidungen klar, dass die Fortführung des Tagebaus Garzweiler II bis mindestens 2030 gesichert ist." Der Tagebau garantiere eine ausreichende Rohstoffversorgung von Braunkohlekraftwerken und trage zur Versorgungssicherheit der Bundesrepublik bei. Es würden 100 Millionen Tonnen pro Jahr abgebaut. Daher müssten noch 16oo Menschen ihre Ortschaften verlassen. Das klingt zunächst wie die alte, kohlefreundliche SPD, doch die Brisanz liegt in der Jahreszahl 2030 verborgen. Denn eigentlich besitzt der Energiekonzern RWE eine Betriebsgenehmigung, um bis 2045 Braunkohle im rheinischen Revier abzubauen. Die Zeit nach 2030 scheint unklarer zu sein als bisher. Kraft kündigt eine Leitentscheidung ihrer Regierung bis Mitte 2015 an, um den Kurs für die Zeit nach 2030 zu bestimmen und betont, dass es Braunkohleabbau auch darüber hinaus geben werde. Zugleich will Rot Grün aber auf die letzten geplanten Umsiedlungen der Ortschaft Holzweiler, des Gehöfts Hauerhof und des Hofs Dackweiler mit insgesamt 1400 Bewohnern verzichten. "Wir alle wollen doch, dass die Kraftwerke von RWE die Braunkohle effizienter nutzen, also mit immer weniger Kohle den Strombedarf decken können", sagt die Ministerpräsidentin im Landtag. Man müsse auch berücksichtigen, dass sich die EU-Rahmenbedingungen geändert hätten. "Wir wollen und können auch im Rheinischen Revier einen Strukturwandel ohne soziale und ökonomische Brüche schaffen", betont Kraft. Die Ansätze zum Wandel im Braunkohle-Revier haben SPD und Grüne bereits in ihrem Koalitionsvertrag 2010 festgeschrieben, doch sorgte dies damals für relativ wenig Aufsehen; Mittlerweile aber wird über das Tempo der Energiewende diskutiert; die Krise zwischen EU und Russland weckt Sorgen vor Engpässen, sodass heimische Energieträger in den Fokus rücken. Die Lage im Energiebereich ist unübersichtlich. Der Konzern RWE hat jüngst eingeräumt, zu spät auf die Öko-Energieträger gesetzt zu haben. Die Grünen beklagen, dass die große Koalition die Energiewende aus bremse. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hat als Bundeswirtschaftsminister just sein industriepolitisches Profil gestärkt und will bei der Reform des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) lieber Erleichterungen für die energieintensive Industrie als für Verbraucher. Als Kraft mit Vertretern der Landesregierung die Verkleine-rung von Garzweiler II vor zwei Wochen in einer überraschend einberufenen Pressekonferenz ankündigte, da reagierten die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) und der Energieriese RWE mit Unverständnis. Sie fühlten sich übergangen und hielten den geplanten Verzicht auf rund 300 Millionen von insgesamt 1,2 Milliarden Tonnen Braunkohle fü vorschnelL Auch ein halbes Dutzend SPD-Landtagsabgeordneter beklagte öffentlich die Entscheidung. Sie fühlten sich düpiert von der Landesregierung. Seitdem bemühen sich die Vertreter der SPD zu betonen, dass der Kohleabbau weit über das Jahr 2030 weiterlaufen werde. Kraft betont ebenfalls, dass es "keine zeitliche . Limitierung" beim Braunkohle-Abbau gebe, um Teile der SPD zu beruhigen. Seit ihrer Wiederwahl hat sich die 52-Jährige vornehmlich als Vertreterin von Wirtschafts- und Industrieinteressen profiliert. Der NRW-Regierungschef ist traditionell auch wichtiger Lobbyist der Energiebranche. Noch zu Jahresbeginn betonte die Ministerpräsidentin, dass es bei Garzweiler II "keinen Handlungsbedarf‘ gebe. Sie konnte sich bestärkt fühlen durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Dezember 2013. Die Verfassungsrichter hatten die Klage eines Bewohners abgewiesen, der verhindern wollte, dass seine Ortschaft in einigen Jahren von Baggern umgegraben wird. Karlsruhe betonte, dass der Braunkohleabbau dem Gemeinwohl diene und private Eigentumsrechte daher zurückstehen müssten. Das Gericht mahnte aber zugleich an, die Rechte Betroffener künftig stärker zu berücksichtigen. Die aktuelle Entscheidung der Landesregierung wurde notwendig, weil langfristige Beschlüsse zu Umsiedlungen in der betroffenen Region um die Stadt Erkelenz einzuleiten sind. Möglicherweise musste die SPD Abstriche beim letzten Abbau-Abschnitt machen und die letzten Umsiedlungen aufgeben, damit der Koalitionspartner die Abbauphase bis 2030 mittragen konnte. Die neue Entscheidung wird bei den Grünen durchaus als "Ausstieg" verstanden. Freilich verzichten auch sie auf das Wort.
Die CDU- und FDP-Opposition kritisierte im Parlament, dass Kraft ein unnötig voreiliges Ausstiegssignal sende und sich zum Juniorpartner der Grünen mache. Aber auch CDU-Oppositionschef Armin Laschet mochte sich bei aller Kritik nicht kategorisch querstellen. Er halte die Entscheidung auf einen Teil des möglichen Abbaus zu verzichten, für falsch, doch er werde die Entscheidung, die letzten Ortschaften zu verschonen, nicht revidieren, falls die CDU die Landtagswahl 2017 gewinnen sollte. Das war zumindest ein kleiner Trost für die arg gescholtene Ministerpräsidentin."
Lesen Sie hier den Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10.04.2014: "Kraft verteidigt Garzweiler-Kurs – Sechs Abweichler in der SPD I Kritik der Opposition":
Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat die Entscheidung ihrer rot-grünen Landesregierung verteidigt, den Tagebau Garzweilee II zu verkleinern. Kraft versicherte am Mittwoch, Rot-Grün opfere keine Arbeitsplätze, sondern schaffe eine Planungssicherheit, die es für andere Industriebranchen nicht gebe. SPD und Grüne hätten lediglich eine räumliche Begrenzung beschlossen, keine zeitliche. Auf die Umsiedlung der Orte Hohweiler, Hauerhof sowie des Guts Dackweiler im vierten Abbau-Abschnitt könne verzichtet werden. Aus Braunkohle des rheinischen Reviers wird derzeit jede vierte Kilowattstunde Strom in Deutschland hergestellt. Das Revier besteht neben dem Tagebau Garzweiter noch aus den beiden Großtagebauen Inden und Hambach. Diese beiden anderen Tagebaue könnten bis 2030 und bis weit über 2045 hinaus genutzt werden, sagte die Ministerpräsidentin. Die Entscheidung, Garzweiler zu verkleinern, sei kein Risiko für die Energieversorgung. "Im Gegenteil: Sie wird sicherer", sagte die Ministerpräsidentin mit Blick darauf, dass sich SPD und Grüne nun auch ausdrücklich zur Nutzung des dritten Abschnitts in Garzweiler und zur Abbaggerung der Orte Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Beverath bekannt haben.
Sechs SPD-Abgeordnete aus dem rheinischen Revier distanzierten sich am Mittwoch in einer gemeinsamen persönlichen Erklärung vom Beschluss der rotgrünen Regierung. Die Entscheidung sei verfrüht und widerspreche der geübten Praxis, die Notwendigkeit von Umsiedlungen dann zu prüfen, wenn sie anstehen. Die Braunkohle werde im Rahmen der Energiewende noch viele Jahrzehnte gebraucht, sagte der Abgeordnete Guido van den Berg.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner hielt der Landesregierung vor, einen "De-Facto-Ausstieg" aus dem letzten subventionsfreien, heimischen, rentablen Energieträger beschlossen zu haben. Armin Laschet, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, sagte, Rot-Grün habe die "Axt an die Wettbewerbsfähigkeit dieses Landes" gelegt. Zugleich versicherte Laschet den rund 1500 Bewohnern der Ortschaften, die nun nicht abgebaggert werden sollen, die CDU werde im Fall eines Sieges bei der Landtagswahl 2017 die rot-grüne Entscheidung nicht revidieren."