Zustimmung mit Zähneknirschen

Lesen Sie hier den Bericht des Kölner Stadt-Anzeiger von Patrik Reinartz und Norbert Kurth vom 28.11.2013:

Die deutlichste Ablehnung kommt aus der Frechener SPD. „Keiner hier will eine große Koalition“, sagt deren Vorsitzender Ulrich Lussem, der sich am Mittwoch bereits mit dem Koalitionsvertrag befasst hat. Mehr noch: Der Ortsverein hat sogar einen Beschluss gefasst, der eine große Koalition ablehnt. „Die Mitglieder sind dennoch frei in ihrer Entscheidung“, betont Lussem.

Der ausgehandelte Koalitionsvertrag wird jetzt allen SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt. Das Ergebnis soll Mitte Dezember feststehen. Unter den Sozialdemokraten im Rhein-Erft-Kreis gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen zu den Verhandlungsergebnissen. „Auf den ersten Blick kann ich mit dem Koalitionsvertrag ganz gut leben“, sagte Dierk Timm, Vize-Parteichef und Bundestagskandidat der SPD. „Viele Themen, für die ich mich im Wahlkampf eingesetzt habe, sind aufgegriffen worden.“

Geld für Kommunen

Insbesondere nannte Timm den Mindestlohn von 8,50 Euro, die doppelte Staatsbürgerschaft und die Rente mit 63 bei 45 Berufsjahren. Zudem gebe es Geld für die Kommunen, für die Infrastruktur und die Pflege. Mit anderen Eckpunkten sei er weniger zufrieden, etwa mit der Pkw-Maut und dem Betreuungsgeld. Timm: „Aber was ist die Alternative? Wenn wir jetzt Nein sagen, dann bekommen wir keinen Mindestlohn und keine doppelte Staatsbürgerschaft.“

Der Kreisparteichef und Landtagsabgeordnete Guido van den Berg sieht ebenfalls viele positive Ansätze: „Wir haben bei der Bundestagswahl 25 Prozent geholt, im Koalitionsvertrag sind 40 bis 50 Prozent SPD enthalten.“ Van den Berg nannte beispielhaft Verbesserungen bei der Zeit- und Leiharbeit. Mit einigen Details müsse er sich aber noch beschäftigen: „In die Infrastruktur sollen fünf Milliarden Euro fließen. In der ganzen Lyrik ist mir aber noch nicht klar, woher dieses Geld eigentlich kommen soll.“

Mit Blick auf den Rhein-Erft-Kreis habe er sich intensiv mit dem Passus zur Energiepolitik befasst. „Die Ausbaukorridore für erneuerbare Energien sind realistisch, sodass die Braunkohle noch bis Mitte des Jahrhunderts eine tragende Rolle spielen wird.“

Gabriele Frechen, Noch-Vize-Parteichefin im Kreis, sieht eine große Koalition kritisch. Als Bundestagsabgeordnete hat sie einschlägige Erfahrung gemacht: „Zu Zeiten der großen Koalition hat die SPD beim letzten Mal viel Gutes erreicht, ist dafür aber nicht belohnt worden.“ Ein Eckpfeiler im Koalitionsvertrag sei der Mindestlohn. „Allerdings gibt es dabei Einschränkungen, und gleichzeitig muss man die Pkw-Maut und das Betreuungsgeld schlucken.“ Ob man dem Papier zustimme, müsse genau abgewogen werden.

„Normale Bürger und Mittelständler sind für die große Koalition“, sagt der Ehrenvorsitzende der Partei, Klaus Lennartz. Insgesamt erscheint ihm der Zuspruch außerhalb der Partei größer. Die Mitgliederbefragung sei „großartig“, weil man die Parteimitglieder überzeugen müsse. Für Lennartz spielt das wirtschaftspolitische Profil der SPD eine große Rolle. Es müsse geschärft werden. „Wenn Parteichef Sigmar Gabriel das Wirtschaftsressort bekäme, wäre das eine Option.“