Würdet Ihr Eure Kinder dort spielen lassen?

Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung auf Schloß Paffendorf
Volles Haus bei der Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Paffendorf
Podium auf Schloss Paffendorf
Dr. Tanja Scheelhaase, Dr. Günther Horzetzky, Guido van den Berg MdL, Gregor Moss
Guido van den Berg
Dr. Günther Horzetzky, Guido van den Berg MdL, Gregor Moss

Welche Konzepte könnte es für den Strukturwandel im Rheinischen Revier geben? Neue wirtschaftspolitische Ansätze und Innovationen sind gefragt, wenn eine Region den Wandel schaffen will.Die Friedrich-Ebert-Stiftung startete mit einer Auftaktveranstaltung im Schloss Paffendorf in Bergheim eine Gesprächsreihe zum Thema „Impulse für die Innovationsregion Rheinisches Revier“, gedacht als Diskussionsforum von ExpertInnen, PolitikerInnen und BürgerInnen.

Die erste Veranstaltung stellte ein Konzept aus dem Themenbereich der Innovativen Kreislaufwirtschaft vor. Dr. Tanja Scheelhaase von der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, erläuterte das Konzept von Cradle to Cradle® (C2C) – von der Wiege bis zur Wiege. Produkte und Materialien müssen im Vorfeld bereits so hergestellt und verarbeitet werden, dass sie nach ihrem Einsatz komplett weiterverwendet werden können. Vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen ein plausibler Ansatz. „Design ist the first sign of intention“. Bereits das Design-Konzept des Produktes beinhaltet von Anfang an, dass nach Ende der eigentlichen Bestimmung, die Materialien völlig schadstofffrei wieder in entweder biologische oder technische Kreisläufe zurückgegeben werden. Sie sind nützlich für Mensch und Umwelt und werden nicht zu Müll. Das erfordert ein radikales Umdenken des Herstellungsprozesses von Produkten. Zauberwort ist die Ökoeffektivität. Die Frage ist dabei immer wieder: Sind die Materialien gesund, und können die Materialien nach dem Gebrauch wieder in den Kreislauf gehen? Der Fokus des Prinzips liegt bei der Qualität, wobei die Materialien keine gesundheits- und umweltschädliche Stoffe beinhalten, wie derzeit Gang und Gebe ist. Jeder kennt das Beispiel von Plastik: es enthält zu viele Giftstoffe und Weichmacher, und landet tonnenweise in den Müll.
Drei Paradigmen begleiten das C2C-Prinzip, das sich nach dem Vorbild der Natur richtet: Abfall ist Nahrung (alle Nährstoffe bleiben im Kreislauf), die Nutzung der Erneuerbaren Energien und die aktive Unterstützung von Vielfalt (Diversity). Das Prinzip basiert auf den Ideen des deutschen Chemikers Prof. Dr. Michael Braungart, Hamburg, und des US-amerikanischen Architekten William Mc Donough, Charlotteville, die Begründer des C2C-Designs.

Bestenfalls wird nämlich auch die Architektur, die Gebäude selber, einbezogen: „Häuser wie Bäume – Städte wie Wälder“, wie MCDonough zitiert wird. Diese zeichnen sich dann z.B. dadurch aus, dass die Fassaden mit Solarmodulen ausgestattet sind und auf den Dächern Gärten gedeihen. Als praxisnahes Beispiel wäre nach diesem Vorbild in die Venlo die City Hall zu nennen.

In Deutschland hat u.a. die Stadt Bielefeld mit dem C2C-Prinzip begonnen: sie beteiligt sich an einem von der EU geförderten Projekt, ein Konzept zu entwickeln, Gewerbegebiete nach
diesen Grundsätzen auszurichten. Gregor Moss, Dezernent in Bielefeld, betonte in der Diskussion, dass das Projekt in Bielefeld über Parteigrenzen hinweg entstanden sei: „Wir haben nur alle eine Welt“, die es zu erhalten gilt. Allen sei klar gewesen, dass Gewerbesteuereinnahmen der Unternehmen ebenso nötig seien wie Arbeitsplätze. Das Problem bestehe derzeit nur in der Frage des Flächenverbrauchs. Die C2C –Thematik selber sei sehr positiv angekommen. Bürger müssten von Anfang an mitgenommen und informiert werden. Dann steige auch die Akzeptanz.

In diesem Zusammenhang wurde die Frage gestellt, ob der C2C-Ansatz für die Region des Rheinischen Reviers eine denkbare Möglichkeit wäre. Die Region handelt aus einer „Position der Stärke“, wie es Guido van den Berg, MdL und SPD-Vorsitzender im Rhein-Erft-Kreis bemerkte. Der Strukturwandel werde sozusagen präventiv angegangen, d.h. man macht sich rechtzeitig Gedanken darüber, wie die Region in 20 oder 30 Jahren aussehen könne.
Vierter Gast war Dr. Günther Horsetzky, Staatssekretär im NRW-Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk. Er nahm die Perspektive des Landes NRW ein und diskutierte mit den weiteren Podiumsteilnehmern darüber, ob dieser Ansatz nicht nur einen Mehrwert für Produkte und Industrie darstelle, sondern auch als Alleinstellungsmerkmal der Industrie in einer Region bzw. in NRW sein könne. Was müsste hierbei das Land NRW vorschreiben bzw. fördern, z.B. durch Vergaberecht? Und was müsste auf Freiwilligkeit basieren? Ohne die Änderung des Bewusstseins in Kreisen der Industrie gehe es nicht. Intention der rot-grünen Landesregierung in NRW ist es, neue Leitmärkte wie z.B. im Bereich der Green Economy zu fördern.

Dr. Scheelhaase wies darauf hin, dass die Produkte nicht wesentlich teurer seien, und erläuterte dies anhand einiger Beispiele. So würden Teppichböden zurückgenommen: als Brennstoff oder als Rohstoff. Die Firma werde so auch zum Nährstoffmanager. Das erfordere, dass die Konzepte völlig umgestellt werden müssten.

Auch arbeiten die Unternehmen, die C2C bereits umsetzen, eng mit den Universitäten zusammen. Nutzen ist ein gegenseitiger Wissenstransfer.
Fazit der Veranstaltung war, dass wir Visionen brauchen, um unsere Gesellschaft nach vorne zu bringen. Die Politik müsse dann die Rahmenbedingungen schaffen.

Die Qualität einer Region – ohne Umweltverschmutzung und mit viel Lebensqualität – ließe sich mit einer einfacher Frage beantworten: Würdet Ihr Eure Kinder dort spielen lassen?
Das Thema lohnt, sich weiter in der Region damit zu befassen.

Ansprechpartnerin:
Jeanette Rußbült
Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung GPI
Godesberger Allee 149, 53175 Bonn
0228 883-7210 jeanette.russbuelt@nullfes.de