Simon Lorenz berichtet im Kölner Stadt Anzeiger vom 27.01.2012 über Facebook vor Ort.
"Soziale Netzwerke im Internet haben immer mehr Zulauf. Es gibt kaum noch Unter-30-Jährige, die keine Facebook-Seite haben. Aber auch Promis und Politiker nutzen die Plattform im Internet, um ihre Meinung kundzutun und virtuelle Freund zu sammeln, auch unsere Politiker im Rhein-Erft-Kreis.
Freundlich lächeln Gregor Golland, Hans-Peter Haupt und Detlef Seif in die Kamera. Der Landtagsabgeordnete, der Wesselinger Bürgermeister und der Bundestagsabgeordnete (alle CDU) haben zwei dem Autor unbekannte Damen in die Mitte genommen. Auf Seifs linkem Arm thront ein Uhu. Der Uhu schaut finster. Dieses Dokument nachrangiger zeitgeschichtlicher Bedeutung ziert das Facebook-Profil von Seif. Eine Dame hat es auf seine Seite gestellt. Unter dem Foto steht:„Gymnicher Mühle: Sehr schönes und gelungenes Sommerfest CDU FU Erftkreis“.
Wer die Facebook-Aktivitäten der Politiker aus dem Rhein-Erft-Kreis unter die Lupe nimmt, dessen Suche geht ins Leere, oder er findet Beispiele gelebter Inaktivität. Wenn also Facebook die Chronik (siehe Kasten) zwangsweise einführt, sie müssten sich keine Gedanken machen. Viel Privates findet sich dort nicht. Einmal ersthat etwa Detlef Seif dort etwas geschrieben, gepostet, wie man sagt: Ein Keith schreibt am 17. November „Willkommen bei Facebook Herr Seif!!“ Herr Seif schreibt zurück: „Thank you Keith“. Keith gefällt das.
So beginnt das Facebook-Leben des Detlef Seif (183 Freunde), und so stellt es sich derzeit auch noch dar. Nur das Bild mit dem Uhu ist als nennenswerter Beitrag seitdem dazugekommen. Bundestagsurgestein Willi Zylajew ist erst seit Kurzem bei Facebook vertreten. Mit dem CDU-Politiker kann man sich allerdings nicht befreunden, man kann nur anklicken, wenn er einem gefällt, was 77 Personen bislang getan haben. Es gibt einen alten Wahlwerbespot und ein paar Links und ein, zwei Terminhinweise. „Heute Abend: Neujahrsempfang der CDU-Fraktion in Kerpen.“ Gregor Golland gefällt das.
Die Bürgermeister sind bis auf wenige Ausnahmen nicht dabei. Wesselings Verwaltungschef Haupt (CDU, 859 Freunde, einer davon sein SPD-Kämmerer Bernhard Hadel), ist eine Ausnahme, die andereseine Bergheimer Kollegin Maria Pfordt (81 Freunde). Auch die CDU-Landtagsabgeordneten Rita Klöpper (495 Freunde) und Gregor Golland (854 Freunde) haben Profile, sie sind jedoch wie die von Haupt und Pfordt nicht öffentlich einsehbar. Gabriele Molitor (882 Freunde), FDP-Bundestagsabgeordnete, ist da schon ein Leuchtturm im sozialen Netzwerk. Sie nutzt es relativ regelmäßig für politische Botschaften an die Öffentlichkeit. Und zeigt, innerhalb welcher Bandbreite sich das politische Leben abspielt. „Sessionsauftakt gestern bei der KG Friesheim (…) wurde mit Orden, Schal und Prinzenspange geehrt“, schreibt Molitor unter das passende Foto.
Zwei Tage später ermahnt sie US-Präsident Barack Obama: „…die Schließung von Guantanamo ist überfällig!“ 13 Personen gefällt das. Und tags darauf gibt Molitor kund, dass sie ein Interview zum Thema Fiskalunion gebe. KG Friesheim, Guantanamo, Fiskalunion. Dieser Dreiklang bestimmt das Facebook-Leben von Gabriele Molitor. Und natürlich die „vielen anderen Themen, bei denen die Bürger Lösungen und Handlungen erwarten“, wie Molitor am 16. Dezember wissen lässt. Das liest sich erst mal etwas seicht und unfreiwillig komisch, doch sie versucht, Transparenz herzustellen: „Mein Wahlkreis ist ganz nah dabei und nicht nur vertreten, wenn wir heute über den Euro entscheiden ;-)“, schreibt Molitor via Handy. Ein Kommentar darunter lautet: „Schönen Gruß nach Berlin (ich habe Dich heute im Fernsehen gesehen) und halt Dich tapfer in schweren Tagen.“ Was man eben so schreibt auf Facebook.
Der beste Freundehamsterer unter den Politikern im Kreis ist jedoch ein anderer. Der SPD-Kreisvorsitzende Guido van den Berg, nennt 1637 Freunde sein Eigen, ob er alle persönlich kennt, ist nicht überliefert. Seine öffentliche Pinnwand nutzt er sporadisch für politische Informationen. Gelegentlich drücken neue Freunde auf seiner Pinnwand die Freude darüber aus, dass er sie bei Facebook zu seinen Freunden gemacht hat. Doch es gibt ein Thema, das ihn offenkundig bewegt hat. Schnee. Als mal welcher lag, hat er davon insgesamt vier Fotos auf Facebook präsentiert: „Viel Schnee in der Bedburger Innenstadt“, „Winter-Romantik vor Schloss Paffendorf“, „Polizeipferde vor dem Stadttor in Düsseldorf“ und „Düsseldorf im Schnee.“ Ein Bild von einem Uhu hat er nicht im Programm.
Und dann ist da auch noch Jürgen Rüttgers. Seine relative Prominenz als ehemaliger Ministerpräsident treibt bei Facebook bescheidene Blüten. Der Landtagsabgeordnete hat kein eigenes Profil, doch die Facebook-Gemeinde arbeitet sich halbwegs kritisch und lustig gemeint an ihm ab. Es gibt ein falsches Jürgen-Rüttgers-Profil, das irgendjemand im Mai 2010 angelegt hat: Dort stehen Sätze wie: „Ich hoffe, ich komme nicht in den Landtag. Sonst Schulden hoch2.“. Er hat einen Eintrag als Person des öffentlichen Lebens, was 53 Personen gefällt, und es haben sich kleinere Gruppen zu seinem Thema gebildet. Etwa „Können Kinder aus Indien mehr Fans haben als Jürgen Rüttgers?“ (21 Mitglieder) und ganz aktuell: „Ernennt Jürgen Rüttgers zum Bundespräsidenten, und ich wandere aus!“ (neun Mitglieder).
Doch um sich im Internet zu präsentieren, ist Facebook nicht einmal notwendig. FDP-Landtags-Veteran Horst Engel hat kein Profil dort, aber eine Homepage, um kundzutun, wenn er im Landtag einen Witz gemacht hat. Er präsentiert dort einen Auszug aus einem Plenarprotokoll, das ihn zitiert: „Jetzt fehlt Ihnen zur Weihnachtszeit nur noch ein Engel. (Beifall von der FDP, von der SPD und von den Grünen – Heiterkeit)“, notiert der Protokollführer. Und der Uhu? Der blickt weiter finster.
P.S. Auch die Rhein-Erft-Redaktion hat eine Facebook-Seite, die 576 Menschen gefällt. Der Autor hat aktuell 111 Freunde und schreibt fast nie etwas auf seine Pinnwand.