„Beitragsgrenze kein Dogma“

Die Bundestagsfraktion der SPD entsandte auf Einladung des Dürener Abgeordneten Dietmar Nietan, der sich mangels eigenen Rhein-Erft-Kreis-Abgeordneten der Partei mit um den Nachbarkreis kümmert, ihren Sprecher für Arbeit und Soziales, Anton Schaaf, um im Kreishaus das immer drängender werdende Thema Altersarmut zu diskutieren.
Rund 50 Interessente, vorwiegend Genossinnen und Genossen, hörten sich die Standpunkte des Mülheimer Bundestagsmitglieds an. Hemdsärmelig und bodenständig, ohne blumige Verbrämung tat der gelernte Maurer seine Einschätzungen und Perspektiven-Vorstellungen kund, räumte Versäumnisse, aber auch Verdienste der deutschen Sozialdemokratie ein. So habe die Industriepolitik Gerhard Schröders das Fundament gelegt, dass Deutschland die Krise so gut überstanden habe. Dessen Agenda 2010 dagegen habe mit der Forderung, dass jede nicht-sittenwidrige Arbeit anzunehmen sei, auch zum Lohnverfall beigetragen.

Damit war er beim Thema: „Die Altersarmut fängt bereits mit der Armut während der Beschäftigung an“, sieht er Niedriglöhne, Zeitarbeit oder befristete Arbeit als Hemmschuh eines hinreichenden Rentenanspruchs an und leitet die Forderung nach Mindestlohn und gleichem Lohn für gleiche Arbeit ab. Entsprechend müsse der Paragraf im Sozialgesetzblatt II abgeändert werden, „da sittenwidrig bis zu einem Drittel unter ortsüblich bedeuten kann“. Der Absenkung unter die aktuellen 52 Prozent Rentenniveau erteilte er eine Absage, verlangte vielmehr die Aufhebung des 20-Prozent-Dogmas bei der Beitragsobergrenze.

„Neben den drei Säulen gesetzliche, private und betriebliche Rente muss eine steuerfinanzierte vierte her“, sieht er als einzig nachhaltige Lösung. Das würde Beamte, Selbständige und auch ihn selbst an der Rentenfinanzierung beteiligen. Dass das dann nach höheren Steuern klingt „das halte ich gerne aus“, gab er sich kämpferisch.

Von einer „90-prozentigen Deckung der Ansichten“ sprach auch Thomas Zander, NRW-Geschäftsführer des Sozialverbands VdK, der von alten Menschen zu berichten wusste, die in Abfalltonnen nach Leergut suchen. „Armut ist ein Tabu, da redet man nicht so gerne drüber“, sieht er Nachholbedarf bei der Politik. Dazu gehört auch für ihn ein guter Lohn. Sonst leide die Familienplanung, der Eigentumserwerb und damit wieder die Absicherung des Alters der jetzt Jungen.

Längere Arbeitszeiten müssten diskutiert werden und Dämpfungsfaktoren bei der Rente wieder ausgebaut werden. „Dann gibt es wieder eine Generationengerechtigkeit“, prophezeite er

Die ist jedoch offensichtlich noch weit entfernt. Enttäuschte Äußerungen von älteren Besuchern der Diskussion machten das deutlich. „Jeder Butterdieb wird verfolgt. Reiche, die mit Geld ins Ausland flüchten, bleiben unbehelligt“, klagte etwa ein Besucher über das Verteilungsproblem. „Deutschland ist nicht arm, das Geld ist nur immer schlechter verteilt. Ich würde gerne mehr Steuern bezahlen, wenn meine Rente sicher wird“, gab dagegen ein junger Gesprächsteilnehmer den Bundespolitikern mit auf den Weg.