
Der Kölner Stadt Anzeiger berichtet am 14.07.2010 im Artikel: "Kohlekraftwerke nicht ausgeschlossen" von Norbert Kurth:
"Der Bau weiterer Braunkohlekraftwerke im rheinischen Revier sei möglich. Der rot-grüne Koalitionsvertrag gebe das her. Darüber waren sich der Chef der Rhein-Erft SPD, Guido van den Berg, der Dürener SPD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der RWE Power AG, Dieter Faust, sowie Verdi-Landessekretär Peter Lafos einig. In einer gemeinsamen Pressekonferenz brachten sie gestern zum Ausdruck, dass sie im Koalitionsvertrag eine große Chance für die Entwicklung des Landes und der Region zu sehen. Der Vertrag biete Chancen für die Kohle, für die Industrie insgesamt und für die Arbeitnehmer in NRW.
Das Rheinische Revier sei die einzige namentlich erwähnte Region im 90-seitigen Papier, so van den Berg. Nietan, der zur Verhandlungskommission der SPD gehörte, machte deutlich, wie weit Rot und Grün bei den Themen Kohle, Kraftwerke, Klima und Tagebaue auseinander gewesen seien. Gelungen sei ein sehr guter Kompromiss, mit dem alle leben könnten – auch RWE. Denn das Energieunternehmen soll mit an der Frage arbeiten, wie ein weiterentwickeltes Kraftwerkserneuerungsprogramm aussehen und umgesetzt werden soll. Mehr noch: RWE soll an der „Innovationsregion Rheinisches Revier“ mitarbeiten.
Ausdrücklich unterstützen die Koalitionäre auch die Kohlendioxidabscheidung, denken aber bei der Nutzung des abgetrennten CO nicht an Endlager im Norden, sondern an die industrielle Verwertung des klimaschädlichen Gases. „NRW bietet mit seiner vielfältigen Industrie, seinem Know-how und seiner breit aufgestellten chemischen Industrie hierfür europaweit die besten Voraussetzungen.
Unterschiedliche Interpretationen
Natürlich ist im Koalitionsvertrag von einer „zügigen und kontinuierlichen Reduzierung der CO-Emissionen im Rheinischen Revier“ die Rede. Das große Ziel heißt Verminderung von bis zu 95 Prozent zur Mitte des Jahrhunderts. Darin sind sich alle einig. Unterschiedliche Interpretationen gibt es aber auch schon. Während Grüne im Kreis in der vorigen Woche das Ergebnis „keine neuen Tagebaue“ verkündeten, stellte die Runde gestern lediglich fest, dass neue Tagebaue bei sinkender Emission und geringerem Kohleverbrauch laut Vertrag „nicht notwendig“ seien. Dies aber sei eine Bestandsaufnahme. In einigen Jahren könne die Bewertung anders ausfallen."
Im Kommentar "Niemandem auf die Füße getreten" des Kölner Stadt Anzeigers von Norbert Kurth vom 14.07.2010 heißt es:
"Wenn es nach Rot-Grün geht, dann geht fast alles: neue Braunkohlekraftwerke, 25 Prozent Einsparung des CO-Ausstoßes und viel mehr Energie aus Wind- und Sonnenkraft. Dabei wird die Kohle geschont und möglichst auf den Aufschluss neuer Tagebaue verzichtet. Das Revier soll zur „Innovationsregion“ werden, in dem gut ausgebildete Kräfte mit neuen Techniken und der Wissenschaft eine neue Industriestruktur schaffen. Und RWE wird eingeladen, sich nach Kräften an diesem Prozess zu beteiligen. Ganz schön viele Gegensätze, die da in eine Richtung gebogen werden sollen. Und ist nicht RWE der Konzern, der bei der Umsetzung des Kraftwerkserneuerungsprogramms mächtig ins Schwitzen gekommen ist? Man darf gespannt sein, was da herauskommt. Vorläufiges Ergebnis: Für jeden etwas dabei, niemandem auf die Füße getreten."
Die Kölnische Rundschau berichtet im Artikel "Braunkohle erhält eine Perspektive" von Andreas Engels am 14.07.2010:
"Die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen im Hinblick auf die Energiepolitik im Rhein-Erft-Kreis lauten: Die neue Landesregierung schließt neue Kraftwerke nicht aus. Gibt es effizientere Kraftwerke, sollen ältere Anlagen abgeschaltet werden.
Das Rheinische Revier ist die einzige Region, die ein eigenes Kapitel im rot-grünen Koalitionsvertrag erhalten hat: Auf zwei der 90 Seiten werden die Perspektiven für die Braunkohleregion festgehalten. „Auf keinem anderen Feld mussten sich SPD und Grüne so weit aufeinander zu bewegen“, sagt Dietmar Nietan, Vorsitzender der SPD-Region Mittelrhein und Mitglied der Verhandlungskommission. Guido van den Berg, Chef der SPD Rhein-Erft, betont, dass dabei nicht nur „Formelkompromisse“ festgeschrieben worden seien.
Am Dienstag stellten Nietan, van den Berg sowie Gewerkschafter Hans-Peter Lafos (Verdi) und der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von RWE Power, Dieter Faust, die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen im Hinblick auf die Energiepolitik im Rhein-Erft-Kreis vor. Lange haben die künftigen Koalitionäre um die Frage des Kraftwerksneubaus gerungen, berichtet Nietan. Ergebnis: Die neue Landesregierung schließt neue Kraftwerke nicht aus. Allerdings heißt es im Koalitionsvertrag: „Neue fossile Kraftwerke dürfen nicht in einem Widerspruch zum Ausbau der erneuerbaren Energie geraten, sondern müssen diesen sinnvoll ergänzen.“
Im Klartext heißt das: Der Anteil der erneuerbaren Energie soll steigen, und im Gegenzug zur Inbetriebnahme effizienterer Kraftwerke sollen ältere Anlagen abgeschaltet werden. Damit das Land seine Klimaschutzziele erreichen könne, müsse auch die Braunkohle ihren Beitrag zur CO-Reduzierung leisten, heißt es im Vertrag. Künftig soll weniger Braunkohle in effizienteren Kraftwerken verstromt werden – den Aufschluss neuer Tagebaue hält die Koalition derzeit für „nicht notwendig“.
„Aktionsplan“ schließt RWE Power ein
Statt konkreter Zahlen enthält der Koalitionsvertrag aber „Zielbeschreibungen“, die laut Nietan gemeinsam mit dem Energiekonzern RWE Power im Rahmen eines „Aktionsplans Rheinisches Revier“ erreicht werden sollen. Ziel sei die Reduzierung der CO-Emissionen und die Steigerung des Anteils regenerativer Energie an der Stromerzeugung. RWE soll sich darüber hinaus in ein Programm „Innovationsregion Rheinisches Revier“ einbringen. Damit will die Landesregierung an alten Kraftwerksstandorten neue Strukturen aufbauen und Arbeitsplätze sichern.
Für ein CO-armes Braunkohlekraftwerk sieht die Koalition keine Perspektive, an der Erforschung der Technik zur Kohlendioxidabscheidung soll aber festgehalten werden. Das auch in der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie anfallende Kohlendioxid soll nicht über lange Pipelines transportiert und eingelagert, sondern in der Industrie wiederverwertet werden.
Die Arbeitnehmervertreter begrüßten den Koalitionsvertrag. Verdi-Funktionär Lafos sah in dem Vertrag ein „deutliches Signal, dass ein Politikwechsel vorgesehen ist“."