100 Jahr-Feier der SPD-Pulheim

Peter auf der Landwehr, Franz Müntefering und Guido van den Berg
Peter auf der Landwehr, Franz Müntefering und Guido van den Berg
Volles Haus bei 100 Jahre SPD Pulheim
Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt
Frank Keppler, Dierk Timm und Guido van den Berg
Frank Keppler, Dierk Timm und Guido van den Berg

Lesen Sie hier den Bericht: "Viel Zeit für die "alte Tante SPD" – Pulheimer Sozialdemokraten feiern den 100. Geburtstag" aus dem Pulheimer Wochnende vom 28.04.2010:

Für die Geburtstagsfeier der Pulheimer SPD hätte der Ort nicht passender ausgewählt sein können. Schließlich waren es vor 100 Jahren fünf Arbeiter des Walzwerkes, die im Dorf "Poulheim", so die offizielle Schreibweise bis 1927, mit einer improvisierten roten Fahne am 1. Mai 1910 im Orrer Busch den Ortsverein der SPD gründeten. Während seinerzeit die Gründerväter am noch inoffiziellen "Tag der Arbeit" die offizielle Großveranstaltung der Partei in Köln-Deutz mit Rosa Luxemburg als Hauptrednerin schwänzten, zog die Anwesenheit des sozialdemokratischen Urgesteins Franz Müntefering auf der Geburtstagsfeier die Genossen geradezu magisch an.

Auch wenn zwischen den beiden Ereignissen mittlerweile ein Jahrhundert liegt: Es ist gerade die bewegte Geschichte der ältesten, parlamentarisch vertretenden Partei, die den Festrednern an diesem Ehrentag Anlass zum Rückblick auf Entstehung und Verdienste bot. "Die Bahn ist also schuld", so das Fazit des SPD-Vorsitzenden Peter auf der Landwehr zur Entstehungsgeschichte des Pulheimer Ortsvereins. Durch den Anschluss Pulheims an das Eisenbahnnetz erfolgte im Jahre 1906 die Errichtung des Walzwerkes. Dieses brachte als größter Arbeitgeber einen neunen Typus Mensch in das bäuerliche Dorfleben: Den Arbeiter, mit sozialdemokratischen Ideen im Gepäck. Während im Kaiserreich die SPD zur stärksten Fraktion im Reichstag aufstieg, blieb im Pulheimer Raum allerdings die katholische Zentrumspartei bestimmende politische Kraft. Auch Guido van den Berg blätterte im Bilderalbum und erinnerte an historische Sternstunden der Sozialdemokratie – von den schwierigen Anfängen der Weimarer Republik, der Nazizeit bis zu den sozialdemokratischen Kanzlerschaften der Bundesrepublik. "Hier finden sich die Motivationen, um sich daran zu erinnern, warum man sich politisch engagiert und so viel Zeit verbringt mit der alten Tante SPD", betonte van den Berg. Dem SPD-Urgestein Franz Müntefering oblag es schließlich, nicht nur die Geschichte zu bemühen, sondern auch die sozialdemokratische Seele der Anwesenden zu streicheln und auf kommende Aufgaben einzustimmen. "Solange der Kopf in Ordnung ist, sind wir alle zum Engagement aufgefordert. Politik zu machen ist nicht einfach und Politik ist auch fehlerhaft. Aber in der heutigen Zeit werden sozialdemokratische Ideen immer noch gebraucht. Neue Probleme sind da und sie müssen gelöst werden." Wie es sich für eine Geburtstagsfeier gehört, wurde neben politischen Gesprächen auch noch ordentlich bei Kölsch und Livemusik gefeiert.

Lesen Sie hier den Bericht: ""Große Ziele, praktisch handeln!" SPD Pulheim feiert 100-Jahre-Jubiläum" der Online-Zeitung Rhein-Erft von Dr. Ernst Hoplitschek:

Es war am Ende proppenvoll in der Kranhalle im Walzwerk. Und viele waren gekommen, auch weil sie neugierig darauf waren, was wohl der prominente Gast, nämlich Franz Müntefering, den Genossen erzählen würde. Ehre der SPD erwiesen auch Nicht-Genossen, wie der Bürgermeister Frank Keppeler und dessen Vorgänger im Amte, Ehrenbürger Dr. Karl August Morisse. Gekommen waren auch: Der Pulheimer Dezernent Florian Herpel, SPD-MdL Edgar Moron, Hans Krings, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag des Rhein-Erft-Kreises sowie natürlich der Chef der SPD von Rhein-Erft und Landtagskandidat, Guido van den Berg; des Weiteren sehr viele ehemalige – etwa Herbert Schmitz aus Sinnersdorf – und aktuelle SPD-Ratsfrauen und –Männer, angeführt von ihrem derzeitigen Fraktionschef Dierk Timm. Von der politischen Konkurrenz Werner Theisen, der CDU-Fraktionschef, Klaus Groth von Bündnis90/DIE GRÜNEN und Willi Heinrichs vom Bürgerverein. Man sah unter den Gästen viele Vereinsvertreter, darunter Hartmut Liebe vom PSC und Karin Burmeister, die Vorsitzende vom Café F. Vom Walzwerk kamen dessen Eigentümer Schmidt-Holzmann und von der Kranhalle Melanie Kasel.

"…unsere Ehre aber nicht!"

Peter auf der Landwehr, der Vorsitzende der SPD Pulheim und Ratsherr, verwies in seiner Begrüßungsrede auf die wechselvolle Geschichte der Pulheim SPD und hob dabei den Mut und das Stehvermögen von Männern wie Grevenstein hervor, einer von fünf Gründungsmitgliedern der Pulheimer SPD. Auch Guido van den Berg referierte die historischen Konstellationen vor und nach dem Zusammenbruch der Monarchie nach Ende des I. Weltkriegs und die Bedeutung von Männern wie Philipp Scheidemann und Otto Wels; letzterer hatte seine berühmte Rede für die SPD-Fraktion gegen das „Ermächtigungsgesetz“ der Nazis im Reichstag gehalten, um ihn dann wörtlich zu zitieren: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, unsere Ehre aber nicht“ – von starkem Beifall der Besucher in der Halle begleitet.

Eine Überraschung bescherten die Veranstalter den Gästen mit einem Film, in dem man viele SPD-Aktivisten als Zeitzeugen der Pulheimer SPD sehen und hören konnte, darunter die Ratsherren (und a.D.) Hinz, Uebach usw.

"Große Ziele, praktisch handeln!"

Höhepunkt des Abends war die Rede von Franz Müntefering, der versuchte, das Wesen der SPD in heutigen Zeiten im Lichte von vielen Jahrzehnten sozialdemokratischer Geschichte zu deuten. Für den Sauerländer war es wichtig, spezifische Charakteristika der SPD als unverwechselbare Essentials herauszustellen, als da wären: Das Sozialstaatsprinzip, die Demokratie und den Internationalismus. Für ihn seien alle Menschen gleichwertig und verdienten, trotz ethnischer und kultureller Unterschiede, Respekt im Sinne der universellen Menschenrechte, ohne „wenn und aber“. Müntefering zog dann eine Linie von den Konflikten in früheren Jahren der SPD, etwa jene zwischen Kautsky und „Ede“ Bernstein Ende des 19. Jahrhunderts bis zum „Bekenntnis“ der SPD zu „Reformen“ in der Stadthalle von Bad Godesberg in 1959 („Godesberger Programm“). Sozialdemokraten, so der ehemalige Vizekanzler, hätten „immer große Ziele im Auge“, würden aber auch immer „praktisch handeln“. Ein wichtiges Politikfeld, so führte er weiter aus, seien die Folgen des demografischen Wandels, wo er prognostizierte, würde man tatenlos zusehen, in den kommenden Jahrzehnten „hohe Arbeitslosigkeit und Facharbeitermangel“ zusammenfallen – „eine Katastrophe für unser Land!“. Dann gab er noch einen Wunsch preis, wie sein Vorredner auch: Möge Hannelore Kraft Ministerpräsidentin von NRW werden, „wir wünschen ihr dazu alle Kraft, dass sie es schafft!“.

Starker Beifall für "Münte"

Die Gäste bedankten sich für die sehr engagierte Rede von Franz Müntefering mit lang anhaltenden Beifall und gingen dann zu Gulaschsuppe, Kölsch und anderen kühlen Getränken über. Freundlichen Beifall erhielten Dr. Jürgen Rolle, Chef der SPD-Fraktion in der Landschaftsversammlung, bei der Übergabe eines roten „Huhns“ an Müntefering sowie Markus Brandl (26), seit einem Jahr SPD-Mitglied, für seinen politischen Sketch, wozu ein fiktiver Brief des Pulheimer Bürgers „Jürgen“ gehörte, den Brandl mit ernster Miene dem Publikum vortrug. Es war ein gelungenes Jubiläumsfest der Pulheimer SPD in der Kranhalle vom Walzwerk, die sich an diesem Abend gut aufgestellt – und endlich mal gut gelaunt! – präsentierte und, so war von vielen „Genossen“ zu hören, um Kraft und Zuversicht für die Arbeit in der Kommunalpolitik der nächsten Jahre zu fördern. Dazu hat sie mutmaßlich auch die Band "Pepshmere" befeuert, mit ihrer flotten Musik ("Katharina" etc.) an diesem Abend, und deren Band-Motto auch für die SPD gelten sollte: "Wir geben immer alles!".