Der Landratskandidat Hans Krings sowie der SPD-Kreisvorsitzende Guido van den Berg haben sich in einem Schreiben an den Vorsitzender des Vorstandes des Forschungszentrums Jülich, Prof. Dr. Achim Bachem, gewendet und Auskunft über die in dieser Woche gemeldeten Vorfälle am Forschungsreaktor aus dem Jahre 1978 sowie die Entsorgungsschwierigkeiten gebeten.
Landratskandidat Hans Krings glaubt, dass die Berichte über den Reaktor in Jülich die Kreispolitik nicht kalt lassen können: „Die Anlagen des Forschungszentrums liegen an der Grenze des Rhein-Erft-Kreises. Bei der vorherrschenden westlichen Windrichtung wären dieses Gebiet und seine Bewohner von einem Störfall in besonderem Maße betroffen. Die Berichte dieser Woche müssen daher im Rhein-Erft-Kreis mit Aufmerksamkeit und mit Besorgnis verfolgt werden. Verunsicherung entsteht zusätzlich dadurch, dass die Dinge erst durch Medienberichte der Öffentlichkeit bekannt werden. Hierdurch drängen sich Parallelen zu Vorfällen an anderen Reaktoren auf.“
Einem aktuellen Bericht des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL zufolge geht die Bundesregierung Hinweisen auf mögliche Fehler und Überhitzungen im 1988 stillgelegten Jülicher Versuchsreaktor AVR nach. Das Umweltministerium in Berlin forderte die nordrhein-westfälische Atomaufsicht auf, bestimmte Vorfälle in den 70er Jahren zu überprüfen. Dabei soll auch geklärt werden, ob der 1967 in Betrieb gegangene Hochtemperatur-Reaktor im Mai 1978 gerade noch an einem schweren atomaren Unfall vorbeikam.
SPD-Kreisvorsitzender Guido van den Berg fordert eine umfassende Aufklärung der nun bekannt gewordenen Details über den damaligen Störfall sowie der offenbar kritischen Demontage der belasteten Anlage: „Die Betreiber der Anlage stehen in der Pflicht, die Bevölkerung über den Umfang der Vorfälle aus dem Jahr 1978, die daraus folgenden Auswirkungen sowie über die Einzelheiten und Risiken des vorgesehenen Entsorgungskonzepts zu unterrichten.“
Hintergrund der aktuellen Untersuchungen des Bundesumweltministeriums ist eine Studie des Kernenergie-Experten Rainer Moormann, der jahrelang in Jülich in der Sicherheitsforschung gearbeitet hat. Danach sei der Reaktor durch hohen Graphiteinsatz extrem strahlenintensiv und mit viel zu hohen Temperaturen betrieben worden. Am 13. Mai 1978 sei die Anlage – wegen der kugelförmigen Brennelemente auch Kugelhaufenreaktor genannt – möglicherweise nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlittert. Den Analysen zufolge habe es damals als Folge einer zeitweisen Überhitzung eine Leckage im Dampferzeuger gegeben, aus der dann Kühlwasser in den Reaktorkern eingedrungen sein soll. Wegen der Gefahr einer chemischen Reaktion des Wassers mit dem Graphit des Kerns stelle dieser Vorgang «einen der kritischsten Störfälle für einen Hochtemperatur-Reaktor dar». Der Störfall sei «wahrscheinlich nur deshalb ohne schwere Folgen geblieben, weil der Kern zu diesem Zeitpunkt nur Temperaturen kleiner als 500 Grad Celsius aufwies». Zuvor sollen aber 1100 Grad Celsius im – für nur 900 Grad ausgelegten – Dampferzeuger zum Kühlwasser-Einbruch geführt haben.
Wegen der hohen Verstrahlung soll der Reaktorkern dem Bericht des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ zufolge in Kürze komplett mit Kränen herausgehoben und in ein eigens erbautes Zwischenlager auf dem Forschungsgelände verfrachtet werden. Dort soll seine Strahlung 60 Jahre abklingen, bevor er zerkleinert und in ein Endlager transportiert werden kann.