


Franz Müntefering sprach in seinem ersten "Vor-Ort"-Termin nach seiner Berufung zum designierten Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands mit Ehrenamtlichen in Bergheim. Er besuchte ein Jugendzentrum und das AWO-Seniorenzentrum in Quadrath.
Der Kölner Stadt Anzeiger berichtet im Artikel: "Vom Krisengipfel nach Bergheim" von Markus Clemens am 11.09.2008.
Von Stress keine Spur, Franz Müntefering war richtig gut drauf. "Ich bin heute Morgen 4000 Meter auf dem Heimtrainer gelaufen, auch wenn Laufen mit Ball am Fuß mehr Spaß macht", sagte der alte und wahrscheinlich auch neue SPD-Vorsitzende gestern bei einem Besuch in Bergheim – kurz nach den vielen Krisengipfeln der SPD am Wochenende. Immer wieder blitzte "Müntes" Humor auf, und die Gäste im städtischen Jugendzentrum am Chaunyring wurden Zeuge seiner Entertainerqualitäten.
"Nein", sagte er lachend, den Satz, dass der Job des SPD-Vorsitzenden das schönste Amt neben dem des Papstes sei, wolle er nicht wiederholen. "Höchstens das schönste Amt nach dem Papst." Dennoch könne er wohl bald auf etwas verweisen, was noch keinem Papst jemals gelungen sei. "Bisher ist noch kein Papst wiedergewählt worden." Doch wegen der Scherze allein war Müntefering nicht nach Bergheim gekommen. Vielmehr wollte er sich hier über Projekte informieren, in denen sich Ehrenamtler für Kinder, für Senioren oder auch für behinderte Menschen einsetzen.
Im Rahmen des Projektes "Seniortrainer" wurden all diese Ehrenamtler beinahe 500 Stunden lang ausgebildet. Einer, der an diesem "generationenübergreifenden Freiwilligendienst" teilnimmt, ist Dieter Rauch. Er engagiert sich in der "Freizeit für Behinderte", gründete einen Kegelclub, initiierte einen Stammtisch, organisierte Schifffahrten und Besuche im Phantasialand. Hannelore Weiland und andere Rollstuhlfahrer arbeiten eng mit dieser Gruppe zusammen. "Unser Ziel ist ein barrierefreies Bergheim", sagte sie. Zudem sind sie und andere in der Gruppe unzufrieden damit, "dass wir in kaum eine Gaststätte hineinkommen".
"Ein solcher Freiwilligendienst ist eine große Sache", lobte Müntefering das Engagement. "Der Sozialstaat braucht solche Menschen, sie müssen sich aber systematisch engagieren." Aus diesem Grund sei es wichtig, dass sich in Bergheim nun ein regelrechtes Netzwerk gegründet habe. "Städte, die jetzt schon solche Netzwerke aufbauen, sind gut beraten."
Ganz interessiert lauschte Müntefering schließlich den Ausführungen von Dieter Gumtz, einem der Senioren aus dem Internetcafé im Jugendzentrum. "Glauben Sie, dass ich das auch noch lernen könnte?", fragte er lachend.
Die Kölnische Rundschau berichtet im Artikel: "Die Zeit vernünftig einsetzen" von Gregor Ritter am 11.09.2008:
Nein, Franz Müntefering ist noch nicht zu alt fürs Internet. Dies versicherte gestern Dieter Gumz, seines Zeichens Seniortrainer und Sprecher des Projekts Internetcafé im städtischen Kinder- und Jugendzentrum am Chaunyring. Trotz der Weihen, die Müntefering am Wochenende erhalten hatte, hatte es sich der frisch gebackene Vorsitzende der SPD nicht nehmen lassen, der Einladung von Parteikollegin und MdB Gabriele Frechen zu folgen und das Gespräch mit ehrenamtlich tätigen Bürgern in Bergheim zu suchen.
"Seniortrainer" ist die Bezeichnung der rund 20 Tätigen fortgeschrittenen Alters, die sich in zahlreichen Projekten für andere einsetzen, etwa Freizeitangebote für Behinderte organisieren oder in einem Gesprächskreis Hilfen für Migrantinnen anbieten.
Mitte 2005, so erklärte Müntefering, seien politische Überlegungen, ein Rahmen für Engagement zu schaffen, mit 75 Projekten bundesweit umgesetzt worden – und eines davon ist eben das in Bergheim. "Wir sind eine sehr zeitreiche Gesellschaft", stellte der SPD-Chef im Blick auf die Senioren heraus. "Und die Zeit, die wir haben, sollten wir vernünftig einsetzen." Gerade bei älteren Menschen gebe es ein "unglaubliches Potenzial", das es zu systematisieren gelte, um es sinnvoll nutzen zu können.
Ebendies ist in Bergheim geschehen, wie der Beigeordnete Peter Ludes erklärte: Seit 2001 würden Senioren in die soziale Arbeit einbezogen, und nach einer Fachtagung 2005 seien vonseiten der Stadt die Weichen gestellt worden, am Projekt "Seniortrainer" teilzunehmen. Über mehr als drei Jahre wurden die Trainer für ihre Aufgaben ausgebildet, im Durchschnitt habe jeder dafür rund 490 Stunden geopfert, wie Bürgermeisterin Maria Pfordt ausführte und diesen Einsatz ausdrücklich lobte.
Gabi Frechen weiß, was "Münte" mag
Seniortrainer Franz Albert Neuburg stellte die breite Palette an Aktivitäten vor, die neben den vorgenannten auch die Initiative "Zeit schenken", die Bildung eines Dachverbands für Selbsthilfeinitiativen und die Mitbetreuung der Offenen Ganztagsschule in Ahe – beispielsweise mit einer Schach-AG – beinhalten. Und damit ihr Wirken auch bekannt wird, werden die Projekte von einer Trainerin auch im Bürgerfunk vorgestellt. Im Juni ist das Projekt ausgelaufen, nun werde, so Neuburg, nach einer Zukunft gesucht – vielleicht durch einen Zusammenschluss aller Tätigen in einem Verein.
Bevor es für Müntefering zum Projekt "Café Zeit" im AWO-Seniorenzentrum in Quadrath-Ichendorf ging, wo Seniortrainer und weitere Ehrenamtliche Demenzkranke betreuen, gab Frechen ihm noch eine kleine Hilfe für Notsituationen mit auf den Weg. Wird der Job als SPD-Vorsitzender zu stressig, kann "Münte" nun unter anderem auf einen Schal, eine Trillerpfeife und Schokolade als Nervennahrung zurückgreifen. Und ein Anhänger-Bändchen führt dem Sozialdemokraten den bekannten Slogan vor Augen: "Just do it."