Wahlrechts-Tücke könnte Rüttgers ein Schnippchen schlagen

Eine Spezialität im nordrhein-westfälischen
Wahlrecht könnte den Spitzenkandidaten der CDU, Jürgen Rüttgers, in größte Schwierigkeiten bringen. Sollte es Rüttgers nicht gelingen, in seinem Wahlkreis das Direktmandat zu holen, könnte sein Traum, Ministerpräsident zu werden, selbst bei einem großen Wahlsieg der CDU platzen. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, in dem nach der Landesverfassung nur zum Ministerpräsidenten gewählt werden kann, wer dem Landtag angehört. Allerdings kommen wegen der speziellen Wahlrechtskonstruktion die Landeslisten der Parteien gerade dann nicht zum Zuge, wenn eine Partei besonders erfolgreich ist und sehr viele Direktmandate in den Wahlkreisen holt. Auf diese Weise ist bei Wahlen in den vergangenen Jahren schon so manchem prominenten SPD-Politiker der Einzug in den Landtag verwehrt geblieben, wenn er im eigenen Wahlkreis erfolglos geblieben war. Rüttgers war bei der Landtagswahl des Jahres 2000 im Wahlkreis 12 Erftkreis II seiner Kontrahentin Anette Breitbach-Schwarzlose klar unterlegen. Die SPD-Politikerin setzte sich damals mit einem Vorsprung von 7,6 Prozentpunkten durch. Sollte Rüttgers das bei der Wahl am Sonntag gegen den neuen SPD-Bewerber Guido van den Berg erneut widerfahren, müsste er um den Einzug in den Landtag über die Landesliste zittern, auf der er den Platz 1 einnimmt. Jeder Wähler hat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nur eine Stimme. Er wählt damit gleichzeitig den örtlichen Direktkandidaten und dessen Partei. Das bei der Bundestagswahl nicht unübliche Stimmensplitting – die für die Sitzverteilung im Parlament nachrangige Erststimme einem Bewerber zu geben, die Zweitstimme, aus der sich die Stärke der Fraktionen ergibt, aber einer anderen Partei – ist bei der Wahl am Sonntag nicht möglich. Die Legislaturperiode beträgt fünf Jahre. Der Landtag wurde gegenüber der abgelaufenen Wahlperiode um nominal 20 Sitze verkleinert. Mindestens 181 Abgeordnete werden im neuen Landtag in Düsseldorf Platz nehmen. 128 Parlamentarier werden direkt in den Wahlkreisen bestimmt. Gewonnen hat, wer jeweils die relative Mehrheit der Stimmen erzielt. 53 Mandate werden aus den Landesreservelisten der Parteien nach dem Verhältnis der insgesamt im Land erreichten Stimmenzahlen verteilt.

Überhang- und Ausgleichmandate

Erreicht eine Partei mehr Direktmandate als ihr nach dem Stimmenverhältnis Sitze zustünden, verbleiben diese Sitze als Überhangmandate bei der Partei. Bei der SPD war das in den vergangenen Wahlen regelmäßig der Fall. Die anderen Parteien
erhalten dann nach einem komplizierten Rechenverfahren Ausgleichsmandate, wobei die Gesamtzahl der Sitze im Parlament immer ungerade bleiben muss. Im Landtag saßen deshalb in der jetzt endenden Legislaturperiode 231 statt der bisherigen Mindestzahl von 201 Abgeordneten. Folge dieses eigenartigen Wahlsystems ist zudem, dass es in der Vergangenheit bei der SPD praktisch keine sicheren Listenplätze gab, da die Reserveliste wegen der hohen Zahl der Direktmandate der seit fast 39 Jahren regierenden Partei nie zum Zuge kam. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gilt eine Sperrklausel von fünf Prozent. Damit dürften nach den bisherigen Umfragen Rechtsparteien wie NPD und Republikaner oder die neue Linkspartei WASG keine Chance auf Sitze im Parlament haben. Bei der Landtagswahl am 14. Mai 2000 errang die SPD 42,8 Prozent der Stimmen, die CDU 37,0 Prozent, die Grünen 7,1 Prozent und die FDP 9,8 Prozent. Die SPD nahm 101 Sitze ein, die CDU 88, die Grünen 16 und die FDP 24. Außerdem saßen zwei inzwischen fraktionslose Parlamentarier im Landtag.